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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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musste. Und in diesen Waggons dritter oder zweiter Klasse mit Holzbänken drängten sich unsere Frauen und Kinder, aber auch die Alten mit den Wäschesäcken, dem Geschirr, den Kochtöpfen und den Sieben fürs Mehl, die von der Gepäckablage herabhingen, zusammen mit Käfigen für Katzen oder Kaninchen, die irgendein Kind unbedingt hatte mitnehmen wollen. »Ich will mein Karnickel.« Und die Mutter dann klatsch eine Ohrfeige – »Zum Teufel, du und dein Karnickel« –, und dann musste man doch irgendwie zwischen den Töpfen Platz machen, und beim ersten Kaninchenköttel, das aus dem Käfig heraus jemandem auf den Kopf fiel, klatsch noch eine Ohrfeige. »Jetzt schmeiß ich es zum Fenster raus.«
    »Neieiein!«, kreischte der Bub.
    »Still, sonst schmeiß ich dich auch raus!«, und noch eine Ohrfeige. Aber am Ende fand sich immer ein Platz für den Käfig, womöglich unter der Sitzbank inmitten von anderem Kram oder an einem Haken seitlich an der Sitzbank aufgehängt.
    Die Männer waren hinten am Ende des Zuges untergebracht, in Güterwaggons – Männer und Jungen in derselben Anordnung wie die Frauen und Kinder, mit denselben Familien neben sich wie in den Personenwaggons. Das Kommissariat für Binnenmigration hatte – noch bevor sie einen auf die Liste der Abreisenden setzten – eine Aufstellung dessen gemacht, was man besaß und was nicht, und hatte alles genau eingeteilt: »Für dich einen Waggon, für dich einen Klappsitz.« Und in diesem Waggon war unsere ganze Habe, oder besser, das wenige, was uns davon geblieben war: Werkzeug, zerlegte Karren, Tische, Matratzen, Backtrog, Kredenz, ein paar Tiere. Und die Männer sahen nach allem, hielten die Tiere ruhig, gaben ihnen zu saufen oder einen Tritt in die Seite, dann rauchten sie und streckten sich im Stroh aus, taten so, als schliefen sie, und reichten sich für einen Gutenachtschluck die Wein- oder Schnapsflasche weiter.
    Die ganze Nacht fuhr der Zug durch Italien. Zuerst durchs Veneto – oder durchs Friaul, wenn man von dort kam –, dann durch die Emilia-Romagna und den Apennin, rein in die Tunnels und wieder raus. Und das spürte man sofort – die Tunnels –, nicht so sehr wegen dem Lärm oder weil einem plötzlich die Ohren zufielen, sondern wegen dem Rauch aus dem Schornstein, der sich in der Tunnelröhre fing und zurückgeworfen wurde und durch alle Ritzen der Verschalung in die Waggons eindrang. Und wir mussten husten.
    Der Zug war abends losgefahren, bei Sonnenuntergang. Den ganzen Tag über Familien, Gepäck und Lebensmittel von den Lastwagen auf dem Sammelplatz abladen, alles fein säuberlich übereinanderschichten wie die Garben auf dem pagliaio , und dann eins nach dem anderen wieder auseinandernehmen und bis zum letzten Kaninchen und dem letzten Lausebengel im Zug neu verstauen, unter dem Kommando des Kommissariats für Binnenmigration und der Aufseher der ONC . Die Schwarzhemden achteten wachsam und eifrig darauf, dass alle Anordnungen befolgt wurden. Aber auch mit Verständnis für die Kinder, die davonliefen, und die Mütter – vor allem aber die großen Schwestern, in deren Richtung die Milizionäre durchaus einen Blick oder ein Lächeln riskierten –, die ihnen hinterherliefen: »Komm her da!« und klatsch ein Schlag auf den Kopf, sobald die Soldaten sie ihnen triumphierend zurückbrachten, mit noch wachsamerem und eifrigerem Auge für besagte Schwestern.
    Zu Mittag stand man Schlange vor den Tischen, wo der faschistische Frauenbund in Blechnäpfen Essen ausgab, Pasta asciutta und Hauptgericht in einem, die Pasta leicht verkocht – aber warm und gut und umsonst –, mit einem Stück Fleisch im Sugo und dazu ein Glas Wein oder Grappa. Abends – vor der verhängnisvollen Abfahrt – noch einmal Essensausgabe mit Minestra und heißem Milchkaffee, dazu Brot und Polenta nach Belieben. Sehr freundlich, die faschistischen Frauen, alles Damen der besseren Gesellschaft, Töchter von Angestellten und Lehrern, auch Töchter von Grafen und Marquis, die unseren Frauen beim Aufbruch ermunternd zulächelten: »Macht euch Ehre, macht eurer Heimat und dem Duce Ehre, wenn ihr dort unten seid.« Dasselbe hatte der Verbandsvorsteher von Rovigo gesagt – oder der von Vicenza, Udine, Padua oder Treviso –, als er am Nachmittag vorbeikam. Er war mit den Parteioberen im Auto vorgefahren und vor der Versammlung auf ein Podest gestiegen: »Macht dem Duce und eurer Heimat Ehre, vergesst nicht die Orte, wo ihr das Licht der Welt erblickt habt, und erweist euch

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