Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
Vom Netzwerk:
auch keine Gedanken machte, als sie die ihre aus der Ferne etwas torkeln sah. Die aber – statt den Stock anzupeilen oder Gefährtinnen zu Hilfe zu rufen – fing an, wie eine Verrückte um Armidas Kopf herumzuschwirren, sie summte und brummte und schien sagen zu wollen: »Du auch, du auch.«
    Armida verscheuchte sie mit der Hand: »Bleib mir weg, du Sau, rühr mich nicht an.« Die aber ließ nicht ab, zog immer engere Kreise, schwebte heran und summte immer näher an ihrem linken Ohr: » Summ … summ … du auch … summ … summ , du auch. Du auch.«
    »Widerwärtiges Schwein von einer dreckigen Muttersau«, schimpfte Armida, »hab ich dir nicht gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen?« Und da erwiderte die andere: »Dann geh doch zum Teufel, du«, und kehrte beleidigt in ihren Bienenstock zurück, wobei sie aber ein höchst merkwürdiges summ, summ von sich gab, das man durchaus als eine Art von »Du auch, du auch, du dumme Nuss« hätte interpretieren können.
    Ich weiß nun wirklich nicht, ob die Biene das sagte, wie ich auch nicht weiß, was Bienen im Allgemeinen so denken. Um das zu wissen, müsste man zur Biene werden. Aber Armida wusste es, oder sie glaubte es zumindest zu wissen. Am Nachmittag – als der Nachbar, der sie als Kind immer auf dem Arm getragen hatte, im Wirtshaus »Briscola« sagte, um dann auf den Tisch zu fallen und seine Seele auszuhauchen – hatte sie begriffen, dass die ersten traurigen Runden des Schwarms am Morgen ihm gegolten hatten; ebenso wurde ihr am späten Abend in der Speisekammer der Nachbarn, als ihr Schoß sich öffnete, um den Lebensstrom des Pericle zu empfangen, auf einmal klar, dass die freudig erregte Rückkehr der Bienenkönigin und das Summen um ihr Gesicht »du auch, du auch« ihr gegolten hatten. Als sie nämlich – wie die Bienenkönigin wohl auch zum Drohn gesagt haben musste – zum Lebensstrom des Pericle sagte: »Heute habe ich in mir all deine Kinder empfangen, die ich sorgfältig bewahren und, wie meine Bienen das machen, zur Welt bringen werde, wenn der Zeitpunkt da ist.«
    Dann kam Onkel Pericle zur Brücke. Sie sagten sich alles, was es zu sagen gab, und noch mehr und hörten erst im Morgengrauen auf, sich zu umarmen und alles zu sagen. Aus Rücksicht auf den Toten begleitete mein Onkel sie noch vor Tagesanbruch zurück ins Dorf. Vor der Casa del Fascio – nach dem letzten Kuss, schon mit einem Fuß auf der Treppe – strich Armida sich über den Bauch und sagte strahlend: »Ich glaub, ich kann es schon fühlen, Pericle. Es ist ein Mädchen, und sie heißt Adria.«
    »O nein«, lachte Onkel Pericle – das erste und einzige Mal, dass er an diesem Tag lachte. »Wart ein bisschen, Mädel; ich möchte auch dabei sein, wenn es zur Welt kommt.«
    »Ist gut, ich warte: ich schicke es zurück«, und sie ging hinauf. Er lachte noch einmal, dann wurde er ernst, und zu Hause angekommen, sagte er zu Großmutter: »Mutter, heute oder morgen kommt Armida, und ich werde nicht da sein. Nehmt sie bei Euch auf, denn sie ist schon meine Frau.«
    »Wie eine Tochter werde ich sie aufnehmen, mein Junge.«
    Bald darauf kamen die Carabinieri.
    Armida wartete noch zwei, drei Tage, dann packte sie eine Tasche mit ihren paar Sachen, nahm das Bienenhaus, verließ das Dorf und erschien bei den Peruzzi auf dem Land.
    Tante Bissola sah sie auf der Straße näher kommen – alle konnten wir auf dieser Straße herankommen sehen –, mit der Tasche in der einen und dem Bienenhaus in der anderen Hand. »Will die etwa hierbleiben?«, weil sie gut angezogen war, im Sonntagsstaat, nicht im Alltagskleid, das sie anhatte, wenn sie ihr Bienenhaus herumtrug. »Aaah, die will doch nicht etwa hierherziehen?«
    »Sei still!«, sagte Großmutter zu ihr und nahm Armida mit offenen Armen auf. »Das ist dein Zimmer«, und sie gab ihr ein Zimmer, klein, aber für sich allein, nicht zusammen mit den Schwägerinnen, »und wenn Pericle wiederkommt, wird man sehen.« Und beide begannen, auf ihn zu warten, und als er endlich wiederkam, half sie ihr, endlich Adria zur Welt zu bringen.
    Großmutter mochte Armida. Sie akzeptierte sie sofort. Das war nicht wie bei der Frau von Onkel Temistocle, die sie nicht leiden konnte, weil sie aus den casoni kam und – schließlich unsere Magd gewesen war. Armida gefiel ihr, und zwar nicht nur, weil sie sehr schön war, ganz blond, groß gewachsen, blaue Augen, einen hohen Busen und ein hohes, breites Becken, dabei schmale Taille und eine stolze Haltung – sie ging ganz

Weitere Kostenlose Bücher