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Canale Mussolini

Canale Mussolini

Titel: Canale Mussolini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pennacchi Antonio
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anhören wie von ihnen. Keine Frau, die man irgendwann zum Schweigen hätte bringen können. Nichts zu machen. Immer bekamen wir es ab. Die Frauen, das sind die eigentlichen Bestien bei uns, während meine Onkel die Kühe nur beim Namen zu rufen brauchten, und schon reagierten sie. Jede Kuh hatte ihren Namen, und das nicht nur bei uns, das war in allen Ställen so. Die unseren hatten Städtenamen. Ich weiß auch nicht, wie diese Gewohnheit zustande gekommen ist; vielleicht war da am Anfang, als die erste Kuh kam, einer dabei – womöglich von den Verwandten meiner Großmutter oder der eine, der mit Napoleon in Russland gewesen war –, der beim Militär in der Welt herumgekommen war, wie man so schön sagt, und der gab ihnen dann die Namen der Städte, die er gesehen hatte. Diese Namen haben sich erhalten – von Kuh zu Kuh, von Stall zu Stall, in sämtlichen Ställen, die wir gehabt haben, genau wie in gewissen Adelsfamilien Namen von Generation zu Generation weitergegeben werden, Francesco, Emanuele, Vittorio oder Hurensohn –, bis gestern, solange wir Kühe hatten. Und solange wir Kühe und einen Stall hatten, hat es dort immer mindestens einen Ochsen oder Stier gegeben, der Sankt Petersburg hieß, oder eine Kuh oder ein Kälbchen mit Namen Moskau. Und ich erinnere mich noch, als ich klein war, wie Onkel Iseo Eimer und Melkschemel zum Weidezaun hinaustrug und anfing, sie zu rufen: »Veneeeesia!«, und mit baumelndem Euter kam die angetrabt und blieb neben ihm stehen, so dass er den Schemel kein bisschen verrücken musste, hielt das Euter direkt über den Eimer. Onkel Iseo massierte ihr ein wenig die Zitzen – und wenn sie schmutzig waren, wusch er sie auch –, und dann fing er an zu melken, kreuzweise, immer zwei auf einmal, erst die eine, dann die andere. War der Eimer leer, hörte man das Geräusch zizzz … ziiizzz , womit der erste Milchstrahl auf den Aluminiumboden traf. Onkel Iseo war imstande, einen extrem langen Strahl zu ziehen, und als ich klein war, drehte er manchmal plötzlich die Zitze zur Seite und spritzte mir voll ins Gesicht. »Hier, trink, Macaco!«, während ich neben ihm stand und ihm verzückt zusah. Iseo war mein Lieblingsonkel. Und seiner Aussage nach war der Macaco der dümmste Affe in ganz Afrika. Wenn er mit Venezia fertig war, gab er ihr einen Klaps auf den Hintern, sie ging beiseite, und er rief: »Toriiiino«, »Firännse«, »Milaaano«, bis alle da gewesen waren.
    Das war also nun wirklich keine Neuigkeit für uns, dass man mit Tieren redete – wir hatten unser Lebtag nichts anderes getan, könnte man sagen –, allerdings mit großen Tieren, die ein großes Hirn haben, aber doch nicht mit Insekten, ich bitte Sie! Und auch heute hat man doch noch nie von jemand gehört, der mit Insekten redet, oder? Aber nein: Die redete mit ihren Bienen, und das tat sie nicht nur, um sich irgendwie Luft zu machen oder so zum Schein – wie jemand, der mit der Wand spricht oder mit Puppen, weil sonst niemand da ist, und das ist dann, als würde er Selbstgespräche führen, nur laut, damit er sich besser hört –, nein, sie war nicht bloß überzeugt, dass die Bienen sie verstanden, sondern dass sie ihr auf ihre Weise auch antworteten, sich mit ihr unterhielten. Sie sagte, sie verstünde den Ton ihres Summens und vor allem die Art ihres Flugs, wenn sie im Schwarm waren. Und damals, als sie zur Pobrücke von Volano kam – wo sie ein paar Tage zuvor unter einem Brückenbogen ihr Bienenhaus aufgestellt hatte –, sagte sie sofort glücklich und zufrieden zu ihnen: »Achtung, da kommt gleich wer. Seid artig.« Aber dann konnte sie doch nicht an sich halten, und vor Freude rief sie ihnen zu: »Ich hab einen Liebsten gefunden, Bienen!«
    Nun ist es nicht so, dass die das nicht gewusst hätten oder dass sie nicht gewusst hätte, dass die Bienen es bereits wussten. Sie hatten es ihr am Morgen gesagt, aber sie hatte es nicht glauben wollen. Oder hatte es nicht verstanden.
    Schon am Abend zuvor hatte sie deutlich das erste Liebesschwirren der Königin vernommen, und nach und nach war das immer deutlicher und eindringlicher geworden: gnieee gnie gnie gneut … frrrwt frrrwt … gnieee gnie gnie gneut … frrrwt frrrwt … Sie war fast die ganze Nacht dort geblieben, hatte gelauscht und sich bei jedem neuen gnieee gnie gnie gneut die Drohnen vorgestellt, wie sie im Bienenstock erbebten. Im Grunde waren sie nur dazu auf der Welt, nicht, dass sie etwas anderes zu tun gehabt hätten. Sie hatten ihr Lebtag

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