Canard Saigon (German Edition)
gestoßen.
Sergent-Chef Janos Detarant, der Gruppenführer unserer elf Mann starken Truppe, fand einen erstklassigen Beobachtungspunkt. In der Mitte eines kleinen Hügels boten uns eine Bodenwelle und der Dschungel perfekte Sicht auf die Siedlung und optimale Deckung vor unliebsamen Überraschungen. Ein kleiner Bach schlängelte sich durch die Lichtung. Auf der leicht ansteigenden rechten Seite des Flüsschens standen fünf Bambushütten. Auf der linken Seite, die einigermaßen eben war, hatten die Bewohner Reisfelder angelegt. Neben den Hütten tummelten sich ein paar Schweine, Ziegen und Hühner. In den zwei Stunden, seit wir die Siedlung beobachteten, hatten wir fast keine Dorfbewohner gesehen. Ein kleines Kind und eine alte Frau tauchten kurz auf und verschwanden wieder in einer Hütte. Männer waren scheinbar nicht im Dorf. Unsere Patrouille sollte mögliche Nachschubwege oder Waffenlager des Viet Minh auskundschaften. Die kleine Siedlung konnte sowohl ein winziges, harmloses Bauerndorf als auch ein Durchgangslager des Feindes sein.
Plötzlich war ich hellwach. Mein besonderes Gefühl für Gefahr jagte mir heiße Wellen durch den Körper. Ich signalisierte dem Rest der Gruppe mit Handzeichen, dass sie besonders aufmerksam sein sollten. Die langjährigen Kampfgefährten vertrauten mir blind – nur Horst Muler und Albert Hoffmann schauten sich verständnislos an und schüttelten den Kopf.
Im nächsten Moment sahen wir sie. Auf einem kleinen Dschungelpfad, etwa 30 Meter entfernt, tauchte eine Frau mit zwei Kindern auf. Sie waren offensichtlich auf dem Weg zum Dorf. Wegen dem großen, runden Bambushut konnte ich weder das Alter der Frau abschätzen noch ihr Gesicht erkennen. Plötzlich hörte ich seitlich hinter mir ein leises, metallisches Geräusch. Albert Hoffmann hatte soeben ein Magazin in sein Gewehr eingeschoben. Ich hielt den Atem an. Hatte die Frau das leise Klicken gehört? Sie hockte sich auf ihre Fersen und nestelte an der Kleidung eines Kindes herum. Ich war mir nicht sicher, aber mir schien, als ob sie ihren Kopf unmerklich in unsere Richtung drehte. Sie erhob sich und gab dem Kind einen leichten Klaps, zum Zeichen, dass sie ihren Marsch fortsetzen würden. Die Kleinen liefen voraus und die Frau folgte ihnen. Alle drei verschwanden in der ersten Hütte. Ich wusste nicht, was ich von dem Vorfall halten sollte, aber es blieb ein ungutes Gefühl in der Magengegend zurück. Nach weiteren zwei Stunden ohne besondere Vorkommnisse hatte Sergent-Chef Detarant genug und wir zogen ab.
Wir kämpften uns noch drei Stunden weiter durch den Dschungel in Richtung Ben Càt-Fluss, den wir am nächsten Tag erreichen sollten. Um 17 Uhr suchten wir einen geeigneten Platz für unser Nachtlager. Wir fanden eine Lichtung an einem kleinen Wasserfall, inmitten des unwegsamen Dschungels. Ich sah mich um. Die Stelle war nicht leicht zu verteidigen. Vielleicht waren es Hirngespinste, aber der Vorfall mit der Frau ging mir nicht aus dem Kopf. Sergent-Chef Detarant teilte die Wachen ein. Je zwei Mann für zwei Stunden. Erschöpft ließen wir uns endlich nieder. Wir aßen, tranken, füllten unsere Wasservorräte auf und pflegten unsere Ausrüstung. Dabei hatten wir endlich Gelegenheit, ein wenig zu plaudern und die eine oder andere gute Zigarette zu genießen.
„Hey, Sergent-Chef, was glaubst du? War diese Dreckssiedlung ein Unterschlupf für das rote Kroppzeug?“, fragte Horst Muler mit polternder Stimme.
„Was weiß ich?“, antwortete Detarant brummig. „Ich mach Meldung und das ist es dann.“
Er wandte sich ab und beschäftigte sich mit seinen Stiefeln. Das war seine Art zu zeigen, dass er zu diesem Thema nichts mehr zu sagen hatte. Janos Detarant war ein bärbeißiger Ungar und schon zwölf Jahre in der Legion. Die stets nach unten zeigenden Mundwinkel ließen ihn ständig missgelaunt erscheinen. Aber er war ein Paradekämpfer mit hervorragenden Instinkten. Und er hörte auf uns.
„Wenn ihr mich fragt, sage ich, wir hätten die Buden abfackeln sollen“, fuhr Horst fort.
„Albert, was war mit deinem Magazin? Das war ganz schön laut“, wechselte ich das Thema.
„Ist rausgerutscht, war nicht fest drin“, nuschelte Albert Hoffmann. Er stand auf und ging zum Wasserfall, um sich zu waschen. Albert war ein wortkarger Typ, groß und spindeldürr. Sein schmales, zerfurchtes Gesicht wurde von einer viel zu großen Geiernase beherrscht.
„Ist ja scheißegal, der Bauerntrampel hätte uns ja nicht mal bemerkt, wenn
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