Canard Saigon (German Edition)
Thomas schaltete den Beamer ein und spielte den Stadtplan von Wien ein. Die Orte, an denen Kontrollen durchgeführt wurden, waren mit roten Punkten markiert. Wenn Thomas mit dem Mauszeiger auf einen Punkt zeigte, erschienen Zeitpunkt und Dauer der Kontrollen. Marc erkannte eine gut durchgeplante Aktion der Wiener Polizei. Die Streifenbeamten wechselten im Stundenrhythmus den Standort. Sie blieben lange genug an einem Platz, um Präsenz zu zeigen, aber nicht so lange, um den Verkehr wesentlich zu behindern. Die grünen Punkte auf der Karte zeigten die künftigen Kontrollpunkte. Marc war beeindruckt. Er lobte Thomas, denn der hatte, zusammen mit der Einsatzzentrale der Wiener Polizei, diesen Plan ausgeklügelt.
Marc setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Er dachte daran, wie viele Beamte für diese Mordserie im Einsatz waren. Dieser Wahnsinnige hat es geschafft, dachte er. Ein einziger Mann hält die Sicherheitskräfte einer Millionstadt in Atem.
„Marc, die DNA-Ergebnisse sind verfügbar“, rief Emma Szinovek von ihrem Schreibtisch aus. „Du kannst sie abrufen.“
Marc dankte ihr und öffnete die entsprechenden Dateien. In diesem Moment klingelte sein Telefon. Er hob ab und nannte seinen Namen. Am anderen Ende der Leitung war Frau Dr. Lessing. Marcs Stimmung hob sich augenblicklich. Er war fasziniert von dieser Frau und freute sich schon auf ihren heutigen Besuch. Aber daraus wurde nichts. Die Staatsanwältin ersuchte ihn um eine Verlegung des Termins auf den Nachmittag. Da Marc aber mit dem alten Mann verabredet war, verschoben sie ihr Treffen auf Freitagnachmittag. Ein wenig enttäuscht legte Marc den Hörer auf. Er hatte das Bild der Juristin vor Augen, und es fiel ihm schwer, sich auf die nüchterne DNA-Analyse zu konzentrieren. Die Ergebnisse brachten keine neuen Erkenntnisse. Einige Spuren an der Kleidung von Fay wiesen Übereinstimmungen mit Jenny auf. Ein sichergestelltes Haar war Gulasch Willi zuzuordnen. Die Abfälle auf der Leiche hatten wieder unterschiedliche DNA-Merkmale und ergaben keine Übereinstimmung mit bereits erfassten Personen. Die Entenfedern stammten vom selben Tier wie bei den anderen Mordfällen. Marc schloss die Dateien und ging zu Fritz Stainer.
„Fritz, habt ihr schon eine Idee, was es mit den Entenfedern auf sich hat?“, fragte er.
„Johannes und ich haben alle möglichen Parameter zueinander in Relation gesetzt“, antwortete Fritz. „Die jeweilige Anzahl, die Größe und Farbe der Federn und die Art der Drapierung haben wir durch alle möglichen Datenbanken gejagt. Wir haben sie mit Adressen, Hausnummern, Temperaturen, Telefonnummern, KFZ-Kennzeichen, Bezirken, ja sogar mit Mondphasen und Längen- und Breitengraden verglichen. Leider hatten wir meist zu viele Übereinstimmungen, um ein eindeutiges Muster erkennen zu können. Ich denke, ohne Einschränkungen werden wir auf diesem Wege nicht weiterkommen.“
„Das habe ich befürchtet“, murmelte Marc. „Sucht trotzdem weiter. Vielleicht übersehen wir etwas.“
In Gedanken versunken ging Marc in den Pausenraum. Während er seinen Kaffee machte, musste er wieder an den alten Mann denken. Es war eine merkwürdige Begegnung gewesen. Da erzählte ihm ein ehemaliger Fremdenlegionär seine Lebensgeschichte. Und Marc, als hätte er nicht einen Serienmörder zu finden, hatte sich die Geschichte in aller Seelenruhe angehört. Aber es war faszinierend, Charles Wegner zuzuhören, dachte er. Die Art, wie der Mann, der Jean Gabin so ähnlich sah, erzählte, war fesselnd. Nach wenigen Minuten fühlte er sich in die Welt der Fremdenlegion versetzt. Der alte Herr ließ mich Ort und Zeit vergessen, dachte Marc. Er musste lächeln, denn plötzlich fiel ihm seine Kindheit ein. So ähnlich musste es gewesen sein, wenn ihm seine Mutter Märchen erzählt hatte. Seltsam schön, dachte Marc, aber soll ich dafür einen ganzen Nachmittag opfern? Kurz überlegte er, ob er den Termin mit Charles Wegner absagen sollte. Aber dann dachte er an die Hinweise auf die Art der Fesselung und die Entenfedern. Noch am Abend hatte er alle Presseaussendungen überprüft, in denen aber lediglich stand, dass die Opfer gefesselt waren und dass sie, neben anderen Abfallresten, auch Vogelfedern gefunden hatten. Wusste Charles Wegner doch mehr über die Morde? Konnte er die Hinweise erraten haben? Hatte er vielleicht irgendwo ein Gespräch aufgeschnappt oder kannte er den Täter? Aber was hatte dann seine Lebensgeschichte damit zu tun?
Marc hielt, trotz der
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