Canard Saigon (German Edition)
seinen dürren Oberkörper und verzog ebenfalls sein Gesicht.
„Aber das wird schon wieder“, sagte ich lachend. „Ihr werdet sehen, nach 50 solchen Märschen werden die Schmerzen langsam weniger.“
„Pffff! Na du bist mir einer“, sagte Horst vergnügt. „Das gefällt mir so an dir. Du kannst einem richtig Mut machen.“
Albert winkte die Bedienung zu unserem Tisch und bestellte vier Gläser Cognac. Wir blödelten noch eine Zeit lang herum, und ich fühlte mich richtig wohl. Dabei hatte mich beim Frühstück in Arnaultville noch ein zwiespältiges Gefühl beschlichen. Claude hatte gefragt, ob noch jemand nach Saigon müsse. Er hatte sich seine Galauniform ändern lassen und die wollte er abholen. Ich sagte, dass ich mitkomme, um mir neue Hemden zu bestellen. Darauf rief Horst begeistert, dass er und Albert sich anschließen würden. Ich fühlte mich überrumpelt und vereinnahmt. Rückzieher wollte ich aber auch keinen machen, denn ich wollte die beiden nicht beleidigen. Seit unserem Kampf im Dschungel überschüttete mich Horst mit Zuwendung und Freundschaft. Und ich wusste noch immer nicht, was ich von ihm halten sollte. Seine abfälligen Kraftausdrücke über die Untermenschen, in deren Land wir uns eingenistet hatten, fand ich abscheulich. Horst war aber sonst ein witziger, stets gut gelaunter Typ, der für jeden Spaß zu haben war. Ich war mit gemischten Gefühlen mit Claude und den zwei Deutschen nach Saigon gefahren. Der Ausflug entpuppte sich aber als echter Spaß. Nachdem wir unsere Einkäufe erledigt hatten, waren wir, auf Anraten von Horst, in diesem tollen Restaurant gelandet.
Nach der dritten Runde Cognac wurde Claude neugierig.
„Sag, Horst, du und Albert seid doch wie Brüder. Wie lange kennt ihr euch schon?“
„Wir kennen uns schon ewig“, antwortete Horst knapp.
„Wart ihr zusammen bei der SS?“, bohrte Claude weiter.
„Ja“, sagte Horst ungewöhnlich leise. „Seit damals sind wir unzertrennlich. Albert bewahrte mich vor einem grauenhaften Ende. Für ihn würde ich ohne zu zögern durch die Hölle gehen.“
Albert brummte verdrießlich. Das Thema war ihm sichtlich unangenehm.
„Wieso, was war denn?“, fragte Claude voller Neugier.
„Lieber Freund, sei mir bitte nicht böse“, sagte Horst mit höflicher Bestimmtheit. „Das ist bereits Geschichte. Wir haben Dinge getan, die sich kein normaler Mensch vorstellen kann. Albert und ich haben uns geschworen, nie ein Wort über diese Zeit zu verlieren. Du kannst fragen, soviel du willst, aber unsere Vergangenheit nehmen wir mit ins Grab. Und jetzt trinken wir noch eine Runde, dann gehen wir uns amüsieren.“ Mit gewohnter Lautstärke hatte er das Thema gewechselt.
Wir plauderten noch ein wenig und genossen den wunderschönen Sonntagnachmittag. Albert und Horst stritten sich kurz, wer die Rechnung übernehmen sollte. Albert setzte sich durch, denn das wäre das wenigste, das er tun könnte, nachdem ich ihm das Leben gerettet hatte. Die Proteste von Claude und mir waren nutzlos. Horst meinte, dann gehe eben die nächste Station auf seine Kosten.
Um 16.30 Uhr brachen wir auf. Horst gab das nächste Ziel vor. Mit dem Fahrradtaxi fuhren wir nach Cholon, und Horst schleppte uns in eine überfüllte Bar. Nach zwei Gläsern Bier sagte er, dass es nun an der Zeit sei, uns schön zu machen. Er marschierte mit uns durch enge, verwinkelte Gassen und wir folgten ihm verständnislos. Er blieb vor einem großen Haus in chinesischem Stil stehen.
„Jungs, jetzt wird rasiert und Haare geschnitten“, polterte Horst vergnügt. Claude und ich sahen uns verwirrt an, aber für Albert schien es die normalste Sache der Welt zu sein. Wortlos ging er die drei Stufen hinauf und wartete auf dem kleinen Platz vor dem prunkvollen Eingang. Die Fassade war mit goldenen und roten Fabelwesen verziert und bot im Licht der Abendsonne ein spiegelndes Farbenmeer. Ich sah weder ein Firmenschild noch irgendeine Art von Schaufenster. Wir standen vor einem Bauwerk, das sowohl Tempel als auch Wohnhaus sein konnte. Einen Frisör hätte ich darin nie und nimmer vermutet. Wir betraten das Haus und fanden uns in einem Empfangszimmer wieder. Der Raum war gediegen vornehm eingerichtet. Goldene Spiegel und Bilder mit chinesischen Motiven hingen an holzvertäfelten Wänden. Der Steinboden war mit Seidenteppichen ausgelegt, in der Ecke des Salons stand ein kleiner, französischer Schreibtisch aus Mahagoni. Dahinter saß eine ältere, gepflegte Frau, die sich sofort erhob
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