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Canard Saigon (German Edition)

Canard Saigon (German Edition)

Titel: Canard Saigon (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Friesenhahn
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später zogen sie nach Wien, wo die Mutter in der Zwerngasse eine kleine Wohnung beziehen durfte und als eine Art Hausbesorgerin ein wenig Geld verdiente. Ihre flinke und sorgfältige Arbeit war einem Vermögensberater, dessen Firmensitz sich in dem Haus befindet, aufgefallen. Er stellte sie als Reinigungskraft mit Teilzeitbeschäftigung an. Als Zamira drei war, erhielt die Mutter eine Vollzeitbeschäftigung. Seitdem arbeitete sie auch in der Filiale des Vermögensberaters.“ Martin legte eine kleine Pause ein. Während seiner Schilderung hatte er immer wieder Stichworte auf der Pinnwand notiert. Er wandte sich um und sah Marc in die Augen.
    „Und jetzt halt dich an, Marc“, sagte er. „Die Filiale ist in der Silenegasse!“
    „Was sagst du?“, rief Marc überrascht. „Da ist ja auch die Wohnung von Maricela Rodriguez!“
    „Richtig! Das kann doch kein Zufall sein“, sagte Martin.
    „Und was sagt die Mutter? Du sprichst immer nur vom Bruder.“
    „Das ist ein Drama. Die Mutter verstarb vor zwei Monaten an einem Herzinfarkt. Seitdem kümmerte sich Skender um seine Schwester. Aber als Fernfahrer ist er wenig zu Hause. Daher war Zamira oft allein. Eine entfernte Cousine schaute hin und wieder vorbei. Manchmal schlief Zamira auch bei ihr.“
    „Unglaublich, welche Schicksalsschläge es gibt“, sagte Marc betroffen. „Da wurde ja eine ganze Familie sukzessive ausgerottet.“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn du so eine Geschichte in einem Film siehst, denkst du, das ist übertrieben.“ Marc ordnete seine Gedanken. „Wann hat Skender seine Schwester das letzte Mal gesehen?“
    „Am Mittwoch dieser Woche. Donnerstag früh war er für eine Deutschlandtour eingeteilt und kam erst Samstagmittag zurück. Am Freitag hatte er den letzten telefonischen Kontakt mit Zamira. Das war um 17.35 Uhr. Sie machte sich gerade fürs Balletttraining fertig.“
    „Haben sie über Festnetz oder Handy telefoniert?“
    „Per Handy.“
    „Ist das Handy von Zamira gefunden worden? Bei den Sachen am Rastplatz war es nicht dabei.“
    „Nein, es ist verschwunden und abgeschaltet. Vielleicht auch zerstört. Jedenfalls machte sich Skender Sorgen, da Zamira nicht zu Hause war. Er rief bei Freundinnen und bei der Cousine an, und dann machte er die Abgängigkeitsanzeige. Jedenfalls war Zamira nach dem Training nicht mehr zu Hause.“
    „Warum weiß er das?“
    „Sie hat die Angewohnheit, nach jeder Ballettstunde sofort ihre Spitzenschuhe zu pflegen und ihre Trainingskleidung zu waschen. Skender sagte, dass sie ein stilles Mädchen gewesen sei. Ihre einzige Leidenschaft war der Tanz. Sie wollte unbedingt zum Staatsopernballett. Dafür trainierte sie wie besessen.“
    „Gut, noch mal zurück zu ihrer Mutter. Kannte Zamira die Filiale in der Silenegasse?“
    „Ja, da ihre Mutter in den Abendstunden dort arbeitete, nahm sie Zamira meist mit. Das wurde zu einer lieben Gewohnheit. Das kleine Mädchen begleitete ihre Mutter bis zu deren Tod in diese Filiale. Meist machte sie dort ihre Hausaufgaben oder half ihrer Mutter bei der Arbeit.“
    „Und wo ist diese Ballettschule? Welche Verkehrsmittel benutzte Zamira?“
    „Sie ging zu Fuß. Die Ballettschule ist etwa 400 Meter von ihrem Wohnhaus entfernt, am Rupertusplatz.“
    „Ist den Nachbarn etwas aufgefallen?“, fragte Marc.
    „Nein, weder verdächtige Männer noch Autos. Aber wir konnten nicht alle befragen, da manche über das Wochenende weggefahren sind.“
    In diesem Moment stürmte Fritz Stainer in den Konferenzraum.
    „Freunde, das solltet ihr euch ansehen“, rief er und legte einen Computerausdruck auf den Konferenztisch. „Ich habe mir diese Ballettschule näher angesehen. Die haben vier Studios in Wien. Und eines davon ist in der ...“, er tippte mit dem Zeigefinger auf das Papier, „... Gatterburggasse!“ Er sah Marc triumphierend an. Martin schaute verständnislos.
    „Und was ist daran so besonders?“, fragte er.
    „Dort wohnt Herr Mag. Christian Burek“, antwortete Marc leise. „Der Mann hat damals an diesem Seminar mit Charles Wegner teilgenommen. Wir haben ihn gestern besucht. Kollegen, die Zufälle häufen sich. Fritz, welche Schule besuchte Zamira?“
    „Moment, das haben wir sofort“, sagte Fritz und kramte in seinen Papieren. „Sie besuchte die Kooperative Mittelschule Redtenbachergasse. Simon Hoffer ist an den Lehrern und Mitschülern dran.“
    „Martin, ruf bitte Simon an, ob er etwas in Erfahrung bringen konnte“, sagte Marc.
    Martin und Fritz

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