Canard Saigon (German Edition)
erscheint. Die Auswahl seiner Opfer erfolgt nach praktischen Gesichtspunkten. Je weniger Angehörige die Frauen haben, desto weniger Aufsehen verursacht er in der Öffentlichkeit. Burek ist hochintelligent und fähig, sein Vorgehen bestens zu organisieren. Bei keinem der vier Mordfälle ist ihm ein Fehler unterlaufen. Zamira Simaku ist Schülerin des Tanzstudios Ballettflöhe am Rupertusplatz. Ein Studio dieser Tanzschule befindet sich in der Gatterburggasse, in der auch Burek wohnt. Und, wie mir Fritz kurz vor der Sitzung mitgeteilt hat, die Tochter des Unternehmensberaters ist dort ebenfalls Ballettschülerin. Wir wissen wenig über Herrn Burek, da wir bei der Erstbefragung sehr vorsichtig vorgegangen sind. Ich denke, wir sollten als erste Maßnahme überprüfen, wie es mit seinen Alibis bestellt ist. Sollte er dann noch als Täter infrage kommen, ist er für mich der Hauptverdächtige Nummer eins.“
„Danke, Sandra, hat noch jemand etwas?“, fragte Marc und blickte in die Runde.
„Nicht direkt“, meldete sich Fritz Stainer zu Wort. „Aber eine Information, die zu allen Ansätzen passen könnte. Oder auch nicht. Jedenfalls habe ich mich gemeinsam mit Johannes ein wenig über Entenfedern schlaugemacht. Und wir haben Bemerkenswertes gefunden. Johannes hat mit einem führenden Professor für Plumologie gesprochen, er wird euch jetzt von diesem Gespräch berichten.“
„Ein Professor für was?“, fragte Paul.
„Ein Experte für Plumologie“, sagte Johannes grinsend. „Plumologie ist die Wissenschaft, die sich mit Federn befasst.“
Ein Raunen ging durch die Runde.
„Sachen gibt es“, sagte Nicole und schüttelte den Kopf.
„Ja, liebe Nicole, du siehst, man lernt nie aus“, sagte Johannes. „Die Feder hatte im Neuen Reich des alten Ägypten, das war 1550 bis 1070 vor Christi, eine wichtige Bedeutung. Nach seinem Tod musste jeder Verstorbene vor das Totengericht treten. Das aus Osiris und 42 Totenrichtern bestehende Tribunal entschied, welche Seelen ins Jenseits übertreten durften. Bei einem Scheitern drohte dem Verstorbenen der Strafbereich der Finsternis, vergleichbar mit der christlichen Hölle. Bestand er vor dem Totengericht, durfte er an den lichten Ort. Und durfte dort dank seiner Grabbeigaben sein Leben, ohne arbeiten zu müssen, weiterleben. Eine entscheidende Rolle vor diesem Totengericht spielte die Feder der Ma’at, der Göttin der Gerechtigkeit, Wahrheit und Ordnung. Das Herz des Verstorbenen wurde gegen die Feder, eine Straußenfeder, der Ma’at aufgewogen. Waren Herz und Feder im Gleichgewicht, hatte der Tote die Prüfung bestanden. Die Römer verwendeten Federn und Federschmuck in den Heiligtümern der obersten Göttin, Juno. Sie war die Schutzherrin Roms, deren heiliges Tier die Gans war. Die Feder des Zaunkönigs hatte in der keltischen Mythologie eine große Bedeutung. Jedes Jahr wurden in einer feierlichen Zeremonie Zaunkönige getötet und deren Federn als Schutz an Seeleute verteilt. Schließlich gibt es in der irischen Sagenwelt ein Fabelwesen, das Augurey Banshee genannt wird. Dieses Wesen tritt mit Federkleid und kahlem Kopf auf. Es gilt als Todesfee, da es mit seinem nächtlichen Gejammer den herannahenden Tod ankündigt. Bei den Indianern symbolisierten Federn den besonderen Mut des Kriegers. Adlerfedern waren ihr bevorzugter Kopfschmuck. Eine gekappte Spitze zeigte an, dass der Krieger einem Feind die Kehle durchschnitten hatte. Mit den Traumfängern der Indianer sollten böse Träume eingefangen werden, die Federn sollten gute Strömungen in den Körper ableiten. Enten- und Gänsefedern hatten auch eine enorme Bedeutung als Schreibgeräte. Darüber wird euch jetzt Fritz informieren.“
„In diesem Zusammenhang habe ich in dem Buch Symbole , das zum 30. Deutschen Volkskongress in Karlsruhe im Jahr 1995 herausgegeben wurde, einige interessante Hinweise gefunden“, sagte Fritz. „Sabine Wienker-Piepho beschreibt in ihrem Artikel unter anderem die Schreibfeder als Sinnbild. Seit dem frühen Mittelalter war sie das Symbol für das Schreiben und damit für Bildung und Belesenheit. Im Laufe der Zeit wurde die Feder zum Symbol für Intellektuelle. Redensarten wie ‚Die Feder regiert das Schwert‘ weisen auf Konflikte in der Bevölkerung hin. Wer mit der Feder umgehen konnte, war mächtig. In den Märchen und Sagen treffen häufig der dumme Schwertträger und der weise Federnschwinger aufeinander. Ein Kampf, den meist der Gelehrte für sich entschied. Das Symbol der
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