Canard Saigon (German Edition)
kleine Mädchen, das geschändet auf dem Rastplatz lag, war vielleicht zehn bis zwölf Jahre alt. Sie wurde, wie die bisherigen Opfer, hier entsorgt und mit Abfällen überschüttet. Sie lag auf dem Bauch, die Arme hinter dem Rücken gefesselt, das linke Bein etwas angewinkelt. Der gelbe Sack über ihrem Kopf war innen voller Blut. Im Gegensatz zu den bisherigen Opfern waren an ihrem rechten inneren Oberschenkel deutlich Reste von geronnenem Blut zu sehen. Oh Gott, was hat ihr dieser Unmensch angetan, dachte Marc. Er hatte vorerst genug gesehen und deutete seinen Kollegen, ihm zu folgen. Sie traten aus dem Zelt und atmeten tief durch. Marc steckte sich eine Zigarette an. Martin ging zu den Streifenbeamten, die das Mädchen gefunden hatten, um ein schriftliches Protokoll aufzunehmen.
„Scheiß Job“, murmelte Nicole und zog sich ihre Jacke noch enger.
Marc sah sich auf dem Parkplatz um und sah, dass Sandra Kessler und Paul Valek näher kamen. Mit knappen Sätzen und belegter Stimme informierte er die Neuankömmlinge.
„Gut“, sagte Sandra. „Paul und ich werden inzwischen den Rastplatz durchkämmen. Wenn du uns brauchst, ruf uns einfach.“
Marc nickte. Obwohl bereits der Morgen dämmerte, holten sich die beiden Taschenlampen. Der regenverhangene Himmel schien das Tageslicht gewaltsam zurückzuhalten.
Eine vermummte Gestalt kam zu Marc und sprach ihn an.
„Guten Morgen, Herr Oberst“, sagte Sarah Baldinger. „Das Schicksal meint es gut mit uns, ich habe schon wieder Dienst.“
„Guten Morgen, Frau Doktor“, sagte Marc. „Ihre Vorgesetzten sollten Sie auf einen mehrwöchigen Urlaub schicken. Schön langsam glaube ich, der Täter schlägt nur zu, wenn Sie im Dienst sind.“
„Ja, Urlaub wäre nicht schlecht, aber die Arbeit ist leider kein Wunschkonzert“, seufzte die Ärztin. „Übrigens, haben Sie schon gehört, dass wir im September wieder ins Departement für Gerichtsmedizin in der Sensengasse übersiedeln?“
„Nein. Ist das sicher?“
„Was ist in Wien schon sicher, ich lasse mich überraschen“, sagte Sarah Baldinger und wandte sich dem Zelt zu. „Gehen wir es an. Ich verständige Sie, wenn ich hier fertig bin.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, betrat sie das Zelt.
„Marc, schick bitte den Fotografen her!“, rief Paul vom anderen Ende des Rastplatzes. „Ich hab etwas gefunden.“
Marc holte den Fotografen und ging mit ihm zu Sandra und Paul. In der Grünfläche an der Ausfahrt des Rastplatzes lag ein blauer, prall gefüllter Sportrucksack. Der Zippverschluss war halb geöffnet. Aus dem Rucksack quoll ein Stück Jeansstoff. Etwa einen halben Meter daneben lag ein kleiner weißer Damenschuh. Offensichtlich hatte der Täter die Habseligkeiten des Mädchens gleich hier entsorgt. Der Fotograf schoss seine Aufnahmen. Dann verstaute Sandra die Fundsachen vorsichtig in großen Papiertüten. Die Ermittler gingen zum Zelt zurück.
Marc organisierte einen Transporter der erkennungsdienstlichen Gruppe, in dem ein Arbeitstisch montiert war. Marc, Nicole, Sandra und Paul stiegen in den Wagen. Trotz des nur leichten Regens waren sie mittlerweile durchnässt und froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Nicole breitete eine Plastikplane über den Tisch. Sandra nahm den Rucksack und den Schuh aus den Tüten. An der Außenseite des Rucksacks befand sich ein Sichtfenster aus Plastik, in dem ein Namensschild steckte. In großen Blockbuchstaben war der Name Zamira Simaku zu lesen. Darunter stand in Druckschrift „Zwerngasse 63/1A, 1170 Wien“. Während Nicole sofort zum Handy griff, um im War Room anzurufen, stieß Martin zur Gruppe.
„Ihr habt etwas gefunden?“, fragte er und stellte sich neben den Tisch. Marc nickte.
„Fritz sagt, der Name komme ihm bekannt vor“, sagte Nicole. „Er gibt ihn in die Datenbank ein.“
Sie hielt schweigend ihr Handy ans Ohr. Die anderen sahen sie erwartungsvoll an.
„Ja ..., aha ..., ja ..., Moment, wie war der Name? Skender Simaku, alles klar, ja, mach das“, hörten sie Nicole sagen. Sie beendete das Gespräch.
„Fritz sagte, dass gestern Nachmittag eine Vermisstenmeldung einer Zamira Simaku eingegangen ist. Der Bruder des abgängigen Mädchens, ein gewisser Skender Simaku, wohnhaft in der Zwerngasse, meldete das Verschwinden seiner Schwester. Sie ist zwölf Jahre alt, 146 Zentimeter groß und 34 Kilo schwer. Letzter persönlicher Kontakt mit Zamira war am Mittwoch, letzter telefonischer Kontakt am Freitag. Fritz sagte, dass er sich sofort um weitere
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