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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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mich dann wieder wie ein Mensch fühlen werde? Weil ich dann aus diesem Dreckloch rauskomme?« Ihre Stimme klang eisig und grausam. »Lass hören, Joe   … Komm schon, lass deine Argumente hören.«
    Ich sah sie an, versuchte hinter ihr Kranksein zu schauen. Versuchte Candy zu sehen.
    »Willst du zuschauen?«, spie sie. »Ist es das? Du willst nicht, dass ich gehe, weil du was zum Anschauen willst?«
    »Du wirst sterben«, sagte ich.
    »Ich werd
was

    »Wenn du jetzt abhaust, wirst du zu Iggy zurückgehen und so oder so wirst du am Ende tot sein. Wenn er dich nicht umbringt, schaffen es die Drogen. Und wenn es die Drogen nicht schaffen, dann deine Lebensweise.«
    »Meine
Lebensweise
?«, schnaubte sie. »Du machst dir Sorgen um meine
Lebensweise

    »Ich hab Angst um dich.«
    »Ja? Was weißt du denn von mir? Du weißt überhaupt nichts. Du bist nur ein süßer kleiner Junge mit zu viel Geld, der einen Nervenkitzel braucht. Du weißt nichts von der ganzen Scheiße in der Welt.«
    »Aber ich weiß, dass du nicht gehen wirst.«
    |330| Sie starrte mich an, ihre Augen erfüllt von Hass.
    Ich sagte: »Du willst nicht zurück. Du tust so, als ob es dich nicht kümmert, aber es kümmert dich. Du hast nur Angst, das ist alles.«
    Sie lachte wieder, kalt und hart, aber diesmal klang es nicht ehrlich. Sie musste sich zwingen, hässlich zu klingen.
    »Mir reicht’s jetzt«, sagte sie und nahm ihre Tasche. »Ich geh   … und mach dir keine Gedanken um Iggy. Ich komm auch ohne ihn klar.«
    »Wie denn?«
    Sie zuckte die Schultern. »Das ist meine Sache.«
    »Ja? Was willst du für Geld alles tun? Wie willst du deine Drogen bekommen?«
    »Ich weiß nicht   … das krieg ich schon hin. Ich brauch sowieso nicht viel   … nur genug, dass die Schmerzen aufhören. Dann überleg ich mir was   …«
    »Genau«, sagte ich.
    Sie starrte mich an, dann schüttelte sie den Kopf und ging auf die Tür zu. Ich stellte mich Candy in den Weg und schloss die Tür.
    Sie blieb stehen und sah mich an. »Geh aus dem Weg.«
    Ich sagte nichts.
    Sie kam auf mich zu, bis wir Auge in Auge standen und uns gegenseitig anstarrten.
    »Geh aus dem Weg, Joe.«
    »Ich lass dich nicht gehen«, sagte ich.
    »Du kannst mich nicht aufhalten.«
    »Ich kann es versuchen.«
    Sie tat alles, um sich unter Kontrolle zu bringen, aber es gelang ihr nicht sonderlich gut. Ihr Gesicht war angespannt und mit kalten |331| Schweißperlen bedeckt. Ich sah das nervöse Zucken unter ihrer Haut.
    Sie leckte sich die Lippen. »Bitte, tu das nicht. Das ist es nicht wert. Öffne einfach die Tür und lass mich gehen.«
    Ich konnte nicht mehr sprechen. Ich bebte innerlich so sehr, dass die Wörter nicht mehr rauskamen. Auch Candy war still. Ihr strenger, verbrauchter Atem zitterte auf meinem Gesicht.
    »Was
willst
du?«, zischte sie. »Was verlangst du von mir? Willst du, dass ich bettle? Ist es das? Willst du, dass ich vor dir auf die Knie gehe?«
    »Tu’s nicht«, sagte ich.
    »Also, dann geh aus dem Weg. Verdammt   … ich muss weg. Ich
kann
nicht anders. Ich sterbe hier   … du verstehst das nicht   …« Sie kam noch näher, verzog die Lippen zu einem Schmollen und senkte die Stimme. »Bitte, Joe   … bitte   …«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Sie legte die Hände auf meine Schultern und starrte in meine Augen. Einen Moment glaubte ich, sie würde mich küssen. Ich drehte mich weg, aber dann wurde ihr Griff plötzlich fester, ihre Augen erkalteten, und ehe ich mich’s versah, ruckte sie vor und stieß mir ihr Knie hart in die Eier.
    Der Schmerz explodierte in einem glühend heißen Gebrüll. Der Schmerz   … Gott! Er war
alles
. Er durchbohrte mich, leerte meine Lungen, warf mich zu Boden. Ich konnte nichts tun. Ich war bewusstlos, ein schluchzender Haufen   … stöhnend und kriechend   … ich konnte nicht atmen, konnte nicht sehen, konnte nicht hören   …
    Tu was.
    Atme.
    |332|
Du musst atmen   …
    Hol tief Luft   …
    Spür ihn   …
    Den Boden   …
    Augen   … feucht   …
    Zurück   …
    Die Tür   …
    In deinem Rücken.
    Die Tür   … bewegt sich auf deinen Rücken zu.
    Candy.
    Der Nebel lichtete sich langsam und ich merkte verschwommen, dass ich mit dem Rücken gegen die Tür lag und Candy sich abmühte, sie zu öffnen. Ich schaute zu ihr auf. Sie zog am Griff, bekam ihre Finger zwischen Tür und Rahmen, versuchte den Spalt zu vergrößern und sich durchzuquetschen. Ihr Gesicht war tränenüberströmt.
    Ich zwang mich zum Sitzen und

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