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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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  …
    Sie stöhnte ein bisschen, als sie sich auf dem Boden niederließ, und ich streckte eine Hand aus, um ihr zu helfen. Ihre Finger waren kalt – aber nicht mehr
eis
kalt. Das Gefühl kehrte zurück. Das Candy-Gefühl – die unbekannte Nuance, das Prickeln   …
    »Alles in Ordnung?«
    Sie nickte. »Viel besser, danke.« Sie legte die Beine übereinander und machte es sich bequem. »Ich glaube nicht, dass ich’s schon geschafft habe   … ich meine, ich fühl mich immer noch mies, aber wenigstens geh ich nicht mehr die Wände hoch. Ich fühl mich eher, als hätte mich jemand vier Tage lang verprügelt.«
    »Ich versteh, was du meinst«, sagte ich und rieb mir den Unterleib.
    Im ersten Moment verstand sie es nicht, dann weiteten sich ihre Augen, als sie begriff. »O Gott«, sagte sie. »Ich hab dich geschlagen, oder?«
    »So was Ähnliches   …«
    »Hab ich dich wirklich geschlagen?«
    »Es war mehr ein gut platziertes Knie.«
    »O nein   …« Ihr Blick starrte mir zwischen die Beine. »Das hab ich
nicht
gemacht, oder?«
    |345| »Ist nicht wichtig.«
    »Entschuldigung, Joe   … ich hab nicht gewusst, was ich tu.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ist nicht wichtig – ehrlich. Vergiss es.«
    Sie sah mich halb mitfühlend, halb amüsiert an. »Hat es wehgetan?«
    »Nee«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Ich bin zäher, als ich ausseh.«
    »Echt?«, sagte sie lächelnd.
    »Ja   … es gibt nicht viele Mädchen, die
mich
in einem Kampf unterkriegen.«
    Sie lachte leise. Es war kaum zu hören – nur ein sanftes, stilles Lachen   –, aber für mich war es wie ein Song. Ein richtig guter Song. So einer, bei dem du dich innen drin freudig fühlst.
    »Meinst du, du schaffst jetzt vielleicht ein bisschen Toast?«, fragte ich sie.
    Sie nickte. »Das wär schön.«
     
    Also machte ich uns ein bisschen Toast und wir redeten noch ein wenig   … und der Song spielte einfach weiter. Es tat gut. Selbst als Candy langsam müde wurde und ich ihr ins Bett half, fühlte sich immer noch alles gut an. Sie war nicht mehr
krankhaft
müde, sondern bloß
schläfrig
müde. Erschöpft. Leer geredet. Träumerisch.
    »Danke, Joe«, flüsterte sie, als ich sie zudeckte.
    »Gern geschehen.«
    Als sie den Kopf vom Kissen hob und mich küsste, berührten mich ihre Lippen mit dem kristallenen Atem einer Schneeflocke.
     
    Alles würde gut werden.
    Ich glaubte es wirklich.

|347| 20.   Kapitel
    I ch weiß nicht genau, was in der nächsten Stunde oder so passierte. Ich weiß, ich ging aus dem Schlafzimmer und schloss leise die Tür, und ich weiß, ich spazierte eine Weile ums Haus – fühlte mich gut, fühlte mich prächtig, immer noch in dem Glauben, dass alles gut werden würde   –, aber ich weiß nicht mehr recht, wieso ich plötzlich am Wohnzimmerfenster stand und hinaus auf den vom Mondlicht erhellten Wald starrte, an Candy dachte und an mich   … und mich in ein Loch dachte. Candy   … die schlief   …. Candy   … ich   … Candys Berührung   … Candy   … ich   … Candys Kuss   … Candy   … ich   …
    Die Berührung war immer noch da.
    Die Berührung ihres Kusses.
    Ich konnte sie noch spüren, eingeprägt in das Gedächtnis meiner Haut – die kalte Hitze, der kristallene Atem   –, und ich wünschte mir, weiter ihre Lippen zu lecken, die Schneeflocke auf ihrer Zunge zu schmecken, doch ich hatte Angst, ich würde mit der Wärme meines Atems die Schneeflocke zum Schmelzen bringen   …
    Und das war nicht das Einzige, wovor ich Angst hatte.
    Tief im Innern hatte ich vor allem Angst. Vor meinen Gedanken, |348| meinen Zweifeln, meinen Wünschen, meinen Lügen, meiner Ehrlichkeit   … vor mir selbst. Als ich durch das Fenster starrte, sah mich mein Spiegelbild an, blass in dem dunklen Glas, mein Gesicht wie eine Geistererscheinung   … verwandelt in ein anderes Gesicht, in einen andern Jungen   …
    Ein anderes Ich.
    Und ich mochte seinen Anblick nicht. Ich mochte nicht, was er wollte. Aber ich konnte nicht aufhören, ihn zu sehen   … konnte nicht aufhören, dieser Junge zu
sein
.
    Es ergab keinen Sinn.
    Ich wusste nicht, was er war. Er war ich   … und war doch auch
nicht
ich. Seine Gefühle waren falsch und meine waren richtig; dann wieder waren meine falsch und seine richtig   … es war Wahnsinn. Da waren zu viele Dinge, um sie alle zu begreifen: Helligkeit, Dunkelheit, Weinen, Lachen, Schmerz, Sehnsucht, Hass, Liebe   …
    Warum muss es immer so sein?
, überlegte ich.
    Warum muss

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