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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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all meine Sachen zusammengesucht und sie in meine Tasche gestopft hatte, wandte ich mich Candys Kram zu. Ihre Klamotten lagen überall im Zimmer verstreut – Jeans, Unterhemden, Pullover, alles. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie selbst einpacken oder es ihr überlassen sollte. Ich konnte mich nicht entscheiden, und je länger ich drüber nachdachte, desto mehr plagte mich der Gedanke. Ich wusste, es sollte mich nicht kümmern, denn es gab wirklich Wichtigeres, worüber ich mir hätte |369| Sorgen machen müssen, aber ich konnte nichts dagegen tun. Es war wirklich seltsam.
    Ich stand noch immer unentschlossen da, als Candy in der Tür erschien und mich fragte, was ich tat.
    »Packen«, erklärte ich ihr. »Ich hab mich gerade gefragt, was ich mit deinen Sachen machen soll.«
    »Du packst?«
    »Ja.«
    Sie schwieg, blinzelte nur verwirrt, dann blickte sie zu Boden. Ich dachte zuerst, sie wüsste einfach nicht, was sie sagen sollte, aber dann merkte ich, dass mehr dahintersteckte.
    Ich packte.
    Packen bedeutete Aufbruch.
    Aufbruch bedeutete Zukunft.
    Und Candy wollte von Zukunft nichts wissen. Für mich war es in Ordnung, an Zukunft zu denken und das Beste zu hoffen, denn ich hatte ein Bestes, auf das ich hoffen konnte. Wenn ich diesen Schlamassel hier heil überstand, würde für mich wahrscheinlich alles gut enden. Aber das Beste, worauf Candy hoffen konnte, war eine Rückkehr in das Leben, das sie geführt hatte   …
    Warum sich also überhaupt mit Hoffen beschäftigen?
    Ich glaube, das hätte ich merken sollen.
    Ich hätte genauer darüber nachdenken sollen.
    Aber ich hatte es nicht getan.
    Und jetzt fühlte ich mich schäbig.
    »Es ist nichts weiter«, sagte ich und versuchte locker zu klingen. »Ich hab nur gerade   –«
    »Ich mach das«, sagte sie.
    »Was?«
    |370| »Ich sortier meine Sachen und pack meine Tasche. Ich muss mich sowieso anziehen.«
    Ihre Augen waren glasig, ihre Stimme gefühllos   … und wie sie dastand und ausdruckslos vor sich hin starrte, wanderten meine Gedanken zurück zu unserem Tag im Zoo, dem Tag, der nie vergehen wird, als wir beide allein in der Mondscheinwelt waren und die Traurigkeit des Baumkängurus teilten. Ich spürte wieder die Stille der Dunkelheit, das Schweigen, die Leere, die Kühle der unterirdischen Luft   … und ich konnte das Gesicht sehen, diese Bestürzung in den traurigen Augen, die bemitleidenswerte Angst   …
    Alles auf einmal in einen kurzen Moment gepackt.
    Es war so   …
    Ich weiß nicht.
    Einfach so viel.

|371| 21.   Kapitel
    I ch hörte den Wagen schon von weitem kommen. Es war eine dieser Nächte, in denen die Luft absolut still ist, die Sterne ganz hell leuchten und die Welt kalt und stumm zu sein scheint. So eine Nacht, in der man kilometerweit hören kann. Ich wartete am offenen Fenster, mein Atem färbte sich weiß in der nebligen Luft und ich hörte alles: die Dunkelheit, die Leere, das Pulsieren meines Herzens. Als die ersten fernen Geräusche des Wagens durch die Luft stachen, hörte ich es in jedem Teil meines Körpers. Das tiefe Brummen, die rollenden Reifen, das leise Knirschen von Gummi auf feuchter Erde   …
    Er bewegte sich langsam. Vorsichtig.
    Ich beugte mich aus dem Fenster und starrte hinaus in die Dunkelheit.
    »Ist es Iggy?«, fragte Candy, die von hinten zu mir trat.
    »Ich weiß es noch nicht – ich kann nichts sehen.«
    Sie hatte sich angezogen und vorher geduscht, ihre Haare gewaschen, und als sie so neben mir stand, die Hand auf meine Schulter gelegt, roch ich den Duft ihrer Haut – den Duft nach frischer Seife und Puder. Er war genauso angenehm wie immer. Und ich verstand nicht, wie das sein konnte.
    |372| »Da«, sagte sie plötzlich und deutete in die Ferne. »Ich glaub, ich hab Lichter gesehen   … Scheinwerfer   … da drüben, zwischen den Bäumen.«
    »Wo?«
    »Jetzt sind sie weg.«
    »Wie viele?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht   … war nur ein kurzes Aufblitzen.«
    »Das könnte Mike sein«, murmelte ich. »Es ist erst zwanzig nach acht   … Es
muss
Mike sein.« Ich blinzelte in das Dunkel und suchte nach den Scheinwerfern. Wenn es nur ein Wagen war, handelte es sich vermutlich um Mike; wenn mehr als einer kam, war es eindeutig Iggy.
    Ich schloss für Sekunden die Augen, drückte die Lider fest zusammen, dann öffnete ich sie wieder. Der Bodennebel schien dichter zu werden, und als ich hinaus in die Dunkelheit starrte und versuchte den Weg zu erkennen, hatte ich das Gefühl, als ob sich auch in

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