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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Ärger.«
    »Nein?«
    »Nicht solchen. Das wäre mehr, als die Sache wert ist.«
    Sie kicherte auf einmal, was mich schockierte, und dann fiel mir plötzlich auf, wie viel sie quasselte   … Wahrscheinlich drehte sie ein bisschen durch. Nicht im Sinne von wahnsinnig werden, sondern einfach vor Angst – ein Durchdrehen, das den Verstand davor schützt, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Es gefiel mir nicht – es zerrte an meinen Nerven und war irgendwie traurig   –, aber ich sah, dass es seinen Zweck erfüllte, deshalb sagte ich nichts. Ich ließ sie einfach weiterquasseln.
    »Und noch was«, sagte sie, »noch eine Sache   …« Sie sah mich |366| stirnrunzelnd an. »Was hab ich gerade gesagt?«
    »Dass Iggy Gina nicht wehtun würde   …«
    »Ach ja   … das mit dem Telefon. So muss er deine Handynummer rausgekriegt haben – durch Ginas Handy. Er musste sie gar nicht zwingen, ihm die Nummer zu sagen – es reichte vollkommen, den Nummernspeicher durchzugehen. Verstehst du? Er musste ihr gar nicht wehtun.«
    »Stimmt«, sagte ich, auf ihr Spiel einsteigend.
    Sie runzelte wieder die Stirn. »Was ich nur nicht verstehe, ist, wie er Gina überhaupt gefunden hat.« Sie sah mich an. »Was meinst du?«
    Ich glaube, ich hätte auf meine innere Stimme hören sollen, ehe wir in den Zug stiegen
, überlegte ich.
Ich hätte dem beunruhigenden Schatten nachgehen sollen   …
    »Ich glaube, er ist zurück in den
Black Room
gegangen«, sagte ich. »Das ist die einzige Verbindung zwischen dir und mir, von der er wusste.«
    Ihre Augen leuchteten plötzlich. »Natürlich   … das hatte ich ja völlig vergessen.«
    »Ich auch.«
    »Aber hätte der
Black Room
denn einen Kontakt zu dir herstellen können?«
    »Nein, aber sie hatten Jasons Nummer. Er hat mich immer wieder zu Hause angerufen und dringende Nachrichten hinterlassen   … aber ich hab gedacht, es wär wegen der Band, und hab nie zurückgerufen.«
    »Wer ist Jason?«
    »Der Sänger der
Katies

    »Du meinst, Iggy hat ihn angerufen?«
    |367| »Wahrscheinlich.«
    »Und Jason wollte dir das sagen?«
    Ich nickte. »Vermutlich hat er Iggy meine Telefonnummer von zu Hause gegeben. Es waren eine Reihe stummer Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Vielleicht hat Jason ihm auch gesagt, wo ich wohne.«
    »Das kann Iggy auch durch die Telefonnummer rausgefunden haben. Er kennt Leute   … er kennt Leute, die so was können   … ich weiß nicht, wer sie sind   … ich nicht   … aber er weiß es   …« Sie verstummte, legte ihre Hand gegen den Kopf und atmete tief aus. Ihre Augen waren plötzlich ganz matt.
    Das Durchdrehen hatte sich verloren.
    Das Zimmer war eiskalt.
    »Gott, Joe«, flüsterte sie. »Ich hab solche Angst   … was
machen
wir bloß?«
    Ich schaute auf die Uhr. Es war halb acht.
    Ich wusste nicht, was wir machen würden.
     
    Ich weiß noch immer nicht, ob es irgendwas anderes gab, was ich hätte tun können. Ich habe immer und immer wieder darüber nachgedacht – überlegt, überlegt, überlegt   … aus dem Fenster geschaut   … auf dem Fußboden gelegen   … in die Vergangenheit gestarrt   … mich immer wieder zu überzeugen versucht, dass ich Recht hatte, dass es nichts anderes
gab
, was ich hätte tun können – und meistens komme ich genau zu dieser Überzeugung.
    Du hattest keine Wahl.
    Du musstest Iggy sagen, wo du warst.
    Du konntest dich nicht verstecken.
    Du konntest nicht weglaufen.
    |368|
Du konntest nicht die Polizei rufen.
    Du konntest überhaupt nichts tun.
    Und ich glaube auch, dass ich Recht habe   … meistens jedenfalls.
    Ich bin fast überzeugt.
    Aber ein besseres Gefühl gibt mir das trotzdem nicht.
     
    Während die Minuten verstrichen und die Zeit zwischen halb acht und acht Uhr zusammenschmolz, warteten und hofften wir weiter. Candy glitt zurück in einen Zustand irgendwo zwischen Durchdrehen und Zombiesein und ich versuchte, meine Hoffnungen dadurch aufrechtzuerhalten, dass ich mich so normal wie möglich benahm. Ich machte Feuer, wusch ein paar Teller ab, räumte auf und begann dann zu packen.
    Ich weiß, das klingt lächerlich. Und außerdem glaube ich gar nicht, dass ich wusste, was ich da tat. Aber vermutlich dachte ich – tief in meinem Innern   –, wenn ich nicht anfange zu packen, gebe ich nach. Nicht zu packen hieß, wir würden nirgendwo hingehen. Wir würden nicht weggehen von hier. Nicht zusammenzupacken bedeutete, keine Zukunft haben.
    Deshalb ging ich ins Schlafzimmer und packte.
    Nachdem ich

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