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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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einfach die Adresse auf, las sie mir noch einmal vor, dann begann er zu reden.
    »Ihr seid beide dort, richtig?«
    »Ja.«
    »Noch jemand?«
    »Nein.«
    »Nachbarn?«
    »Nein.«
    »Der Weg – der durch den Wald – ist befahrbar?«
    »Ja.«
    »Gut, hör zu – ich bin in zwei Stunden da. Und du tust Folgendes: Du gehst nicht raus, du rufst niemand an, du machst gar nichts. Wenn ich ankomme, erwarte ich, dass die Lichter an und die Vorhänge auf sind. Ich will dich und die Nutte am Fenster stehen sehen. Ihr werdet da stehen, verstanden? Nur da stehen. Ist das klar?«
    »Was ist mit Gina?«
    »Willst du sie zerstückelt?«
    |359| »Was?«
    »Wenn du weiter Fragen stellst, bring ich sie dir in Plastiktüten zurück. Hast du
kapiert

    »Ja   …«
    »Sicher?«
    »Ich hab’s kapiert.«
    »Okay – was seh ich, wenn ich ankomme?«
    »Was du   …?«
    »Was ich
seh

    »Die Lichter«, sagte ich schnell, »du siehst die Lichter angeschaltet, die Vorhänge aufgezogen und du siehst mich am Fenster stehen.«
    »Mit der Nutte.«
    »Ja.«
    »Sag es.«
    »Was?«
    »Sag es.«
    »Mit der Nutte«, zwang ich mich zu sagen. »Ich steh mit der Nutte am Fenster.«
    »Ja«, erwiderte er schniefend, »genau.« Er machte eine kurze Pause, dann sagte er: »Ist sie da? Hört sie zu?«
    »Nein.«
    Er lachte, weil er wusste, dass ich log, dann wurde seine Stimme plötzlich eisig. »Zwei Stunden«, sagte er. »Mach das Beste draus.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Ich atmete langsam aus, klappte das Handy zu, saß da und starrte ins Weltall. Der Kamin war ausgegangen. Das Zimmer war kalt. Ich spürte Candys Reglosigkeit neben mir. Sie hatte sich nicht gerührt. Sie starrte noch immer zu Boden.
    |360| »Es tut mir Leid«, sagte ich leise, »er hat mich gezwungen, es zu sagen.«
    »Ich weiß«, sagte sie, ohne aufzusehen. »Schon gut. Wann, glaubst du, wird er hier sein?«
    »Ich weiß nicht   … hängt davon ab, wo er herkommt. Er meinte, in zwei Stunden, aber wenn er in London steckt, wird er länger brauchen.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war fünf vor sechs. Ich wusste, es spielte keine Rolle, aber ich musste einfach irgendwas sagen. »Ich glaub nicht, dass er vor neun Uhr hier ist, frühestens   –«
    Das Telefon klingelte von neuem und schnitt mir das Wort ab.
    Ich starrte es an.
    Zu schockiert, um zu denken   …
    Das ist Iggy.
    Zu verschreckt, um zu hoffen   …
    Das ist Gina.
    Ich schnappte das Handy vom Tisch und las das Display:
17:56
und es verkündete:
MIKE.
    Ich fummelte es auf. »Mike!«, keuchte ich. »Wo steckst du? Mike?«
    »Hey, Joe – ist Gina da?«
    »Was?«
    »Gina   … ist sie bei euch?«
    O Gott
, dachte ich,
er weiß nicht Bescheid.
    »Joe? Kannst du mich hören? Ich versuch Gina zu finden   … Wir wollten uns um vier treffen, aber sie ist nicht gekommen. Sie ist auch nicht zu Hause und ihr Handy ist abgeschaltet. Ich dachte, vielleicht ist sie los, um euch zu treffen   … Joe? Kannst du mich verstehen?«
    |361| »Ja, ich versteh dich   …«
    »Hast du was von ihr gehört? Hat sie dich angerufen?«
    Sag’s ihm
, dachte ich.
Du musst es ihm sagen.
    »Joe   … verdammt noch mal – was ist los mit dir?«
    »Gina ist in Schwierigkeiten«, antwortete ich.
    »Was? Was für Schwierigkeiten? Was meinst du damit? Wo ist sie?«
    »Iggy hat sie.«
    »Was?«
    »Er hat mich gerade angerufen   … vor ungefähr fünf Minuten. Er hat Gina. Ich hab mit ihr gesprochen. Ich glaub, sie ist okay   –«
    »Ich versteh nicht«, sagte Mike.
    »Er hat sie geschnappt   … er hält sie irgendwo fest. Er will Candy zurück.«
    »Iggy?«
    »Ja.«
    »Iggy hat Gina?«
    »Ja   …«
    »Nein.«
    »Er bringt sie zum Cottage.«
    »Nein.«
    Seine Stimme klang rau. Tot. Gebrochen. Ich wusste nicht, was ich ihm noch sagen sollte. Was konnte ich sagen?
Hilf mir? Hilf mir nicht? Mach dir keine Sorgen, alles wird gut. Tu bloß nichts Unüberlegtes   …?
    »Erzähl mir, was passiert ist«, sagte er plötzlich mit ruhiger Stimme. »Erzähl mir genau, was passiert ist.«
     
    Ich erklärte alles, so schnell es ging – den Anruf, die Drohung, den |362| Deal, die Anweisungen   –, und während ich sprach, wusste ich anhand von Mikes Schweigen, was er dachte. Ich hörte den Widerhall seiner Gedanken in meinen:
Das ist kein Deal   … es ist nie einer gewesen – niemand kommt hier heil raus   … nicht du, nicht Gina, nicht Candy. Niemand. Wenn Iggy erst da ist, seid ihr alle tot und begraben.
    Er musste mir

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