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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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weiß nicht   … ich kann dein Gesicht nicht sehen   …
    »Ich seh deins. Könnte dich auf der Stelle umnieten.«
    Ich merkte plötzlich, wie verwundbar ich war – eingerahmt im Fenster, hell erleuchtet wie ein Weihnachtsbaum   … ich stand da wie auf dem Präsentierteller. Wenn Iggy einen Revolver dabeihatte, konnte er mich überhaupt nicht verfehlen.
Wenn
er einen Revolver dabeihatte?
Natürlich
hatte er einen dabei. Würde er ihn auch gebrauchen? Das war die Frage. Würde er mich erschießen? Ich glaubte nicht   … jedenfalls nicht, bevor er sicher sein konnte, dass Candy da war   …
    Nein, ich glaubte wirklich nicht   …
    Aber das gab mir auch kein besseres Gefühl. Jede einzelne Zelle meines Körpers schrie mich an, ich sollte mich
rühren
. Mein Herz hämmerte, meine Sinne machten sich bereit. Ich hörte alles – Mikes und Candys schweren Atem, das Ticken des abkühlenden Motors. Das leise Rascheln verwelkter Blätter – und ich sah, ohne zu sehen   … durch das Licht der Scheinwerfer hindurch   … in den Wagen   … ich sah alle Gestalten, die Köpfe, die zusammengekniffenen Augen   …
    Ich sah Gina.
    Die mich beobachtete.
    Wartete   …
    »Also gut«, rief Iggy, »Schluss jetzt – sieh zu, dass du
sofort
die Nutte ans Fenster bringst. Du hast zehn Sekunden.«
    »Zuerst Gina«, sagte ich.
    »Was?«
    »Ich tu gar nichts, bevor ich nicht meine Schwester zu Gesicht |386| kriege.«
    »Noch fünf Sekunden und du
hast
keine Schwester mehr.«
    Die Zeit schmolz wieder dahin   … alles geschah zu schnell, zu langsam   … aber es spielte keine Rolle mehr. Ich war
in
der Zeit   … ich hatte mich unter Kontrolle   … war mit allem in Verbindung. Ich hörte, wie Mike Candy packte, mit ihr kämpfte, sie versuchte zum Fenster zu ziehen, und ich hörte, wie Candy ihm Widerstand leistete   …
    »Lass sie, Mike«, sagte ich.
    »Du hast ihn gehört«, zischte er mir zu, »er wird Gina was antun   –«
    »Nein, wird er nicht – lass Candy los.«
    Das Kämpfen hörte auf.
    Ich starrte aus dem Fenster.
    Ohne zu atmen, ohne zu empfinden   …
    Kein Geräusch.
    Kein Herz.
    Nur Weiß in der Dunkelheit, wie Feuer   … Weiß in der Dunkelheit meines Herzens   … eine Vision in Weiß   … in mir   … durch mich durch   …
    Weiß in der Dunkelheit.
    Die Scheinwerfer gingen aus.
    Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder. Nebelschwaden schwirrten in der Dunkelheit und verschleierten die Form des Wagens – pechschwarzes Metall, gefrorenes Weiß   – Silber, das den Mond einfing   … und ich sah Gold und Weiß in den Schwarzglas-Schemen   … ich erkannte Gestalten und Köpfe und Ketten und Augen   …
    Ich konnte sie jetzt alle erkennen. Figuren in getöntem Glas. |387| Zwei vorn im Wagen und drei hinten; Iggy auf dem Beifahrersitz   …
    »Ist sie da?«, fragte Candy in gebrochenem Flüsterton.
    »Ich glaub ja   …«
    Ich starrte hinaus   …
    Ich glaub   …
    Der Wagen schaukelte leicht   … die hintere Tür schwang auf   … und ein Mann stieg aus – hager, schwarz, hohläugig. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Er sah mich nicht an. Er sah überhaupt nichts an. Er griff nur flüchtig in den Wagen, packte etwas und zog es heraus.
    Es
war Gina.
    Sie konnte kaum stehen. Der Mann neben ihr hielt sie an ihrem Arm aufrecht – ohne sie anzusehen, sie einfach hochhaltend wie einen leeren Sack. Sie sah schrecklich aus – verfroren, schmutzig, zerzaust   … benommen. Betäubt. Ihre Augen konnten sich auf nichts konzentrieren. Ihr Kopf hing lose auf dem Hals. Sie war barfuß und blass   … zitternd in einem dünnen weißen T-Shirt   …
    Aber sie lebte.
    Um sie ging es.
    »Sie ist da«, sagte ich, als der Mann sie in den Wagen zurückstopfte.
    »Bist du sicher?«, fragte Candy.
    »Ich hab sie gerade gesehen«, sagte ich, ohne den Blick vom Wagen zu wenden. »Ihr geht’s nicht gut, aber   –«
    WUMMS!
    Das Geräusch kam vom andern Ende des Zimmers – ein plötzlicher dumpfer Aufprall   … ein atemloses Stöhnen   –, und als ich mich umdrehte, sah ich Mike schwer zu Boden gehen. Mir blieb |388| das Herz stehen. Der Augenblick erstarrte – Mike rührte sich nicht, gab keinen Ton von sich, lag einfach zusammengesackt da   …
    Verdammt
, dachte ich,
sie haben ihn erschossen   …
    Doch dann sah ich Candy   … sie stand mit blassem, angespanntem Gesicht über ihm und hielt mit beiden Händen einen Metallgegenstand fest. Einen lächerlichen Augenblick lang dachte ich,

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