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Candy

Candy

Titel: Candy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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aber ein paar Wochen später saß ich an einem Gartentisch im Schatten einer hohen Backsteinmauer und wartete gespannt, dass Candy auftauchen würde. Es war ein Sonntag, die erste Juliwoche, ungefähr zwei Uhr mittags. Der Himmel leuchtete in dem stahlblauen Dunst eines perfekten Sommertags. Vögel sangen. Kleine Fliegen schwärmten in der Luft und pulsierten im Sonnenlicht, hinten, am Ende des Gartens, hörte ich aus dem offenen Fenster eines hellen Backsteingebäudes beruhigende Küchengeräusche – klappernde Töpfe und Pfannen, eine zischende Kaffeemaschine, leise Stimmen   …
    Das Fenster war vergittert.
    Ich betrachtete den Garten. Es war ein kleines Rasenquadrat, umgeben von einer alten Backsteinmauer. Sonst gab es nicht viel zu sehen. Ein paar weitere Tische und Stühle, eine Reihe blühender Sträucher, einige Bäume   …
    Keine Menschen.
    Nur ich.
    Ich schaute wieder hinüber zu dem Gebäude. Es sah genauso aus wie all die andern Gebäude hier – ein einstöckiger Bau mit |402| grauem Schieferdach und einer dunkelblauen Tür. Insgesamt waren es sechs Gebäude – ich hatte den ganzen Komplex gesehen, als ich ankam: sechs Backsteinbungalows, ein paar Hektar mit Maschendraht eingezäunte Wiesen, eine Auffahrt, ein Innenhof, vorne ein Parkplatz   …
    Direkt am Eingang stand ein unauffälliges Holzschild mit einer Aufschrift in Goldbuchstaben, die lautete:
     
    JUGENDPSYCHIATRISCHE ABTEILUNG
    DER MELVILLE-DEAN-STIFTUNG
     
    »Ich hab keine Ahnung, was das für eine Einrichtung ist«, hatte mir Mike gesagt. »Gina wüsste wahrscheinlich Bescheid, aber ich will nicht, dass sie da mit reingezogen wird. Soweit ich weiß, ist Candy dort, seit sie auf Kaution freigelassen wurde.«
    Und das war auch so ungefähr alles, was ich wusste. Ich wusste nicht, warum Candy in dieser Klinik war. Ich wusste nicht, was sich hinter den Wänden abspielte, hinter den Eisenstäben   …
    Ich schaute die Gitter an und mir kam eine andere Zeit in den Sinn   … als ich im Gebüsch hockte und das weiße Haus beobachtete   … die schwarz vergitterten Fenster. Ich erinnerte mich wieder, wie ich mich auf seltsame Weise zu den Gittern hingezogen fühlte   … wie ich nicht aufhören konnte hinzustarren   … sie zu studieren   … mich auf ihre Gleichmäßigkeit zu konzentrieren   … die schwarzen Linien, die Breite der Zwischenräume, das Hintergrundweiß der Vorhänge   … und wie nach einer Weile die Linien angefangen hatten, sich von selbst zu einem perfekten Raster zu formen, schwarz auf weiß, schwarz auf weiß, schwarz auf weiß   … und mir allmählich echt unheimliche Gedanken gekommen waren   … |403| wie ich mir vorgestellt hatte, dass sich das Chaos aus sich heraus zu klar definierten Elementen ordnete, eingebettet in sauber gezeichnete Rechtecke   … eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs   … sechs perfekte Rechtecke   … und wie in den Rechtecken Symbole steckten   … Elemente   … namenlose Formen von Dingen, die ich nicht verstand – Schatten, Schattierungen, Abstraktionen, Formen – flackernde Farben auf reinweißem Grund   …
    Nichts von alldem bedeutete etwas für mich.
    Weder damals noch jetzt.
    Es war einfach da.
    Doch jetzt öffnete sich die blaue Tür – und jetzt
war
jetzt – und eine Frau führte Candy aus dem Gebäude   …
    Und alles andere bedeutete nichts.
    Die Frau neben Candy trug eine schmale schwarze Aktentasche. Sie hatte kurzes mausgraues Haar, ein knochiges Gesicht und ich glaube, sie trug eine Art Hosenanzug   … aber daran erinnere ich mich nicht mehr genau. Ich sah sie kaum an.
    Ich hatte nur Augen für Candy.
    Ich brauchte eine Weile, bis ich sie wirklich sah. Im ersten Moment fiel mir nur auf, wie schlicht sie wirkte – sie trug eine schlichte Jeans, ein schlichtes schwarzes Sweatshirt, kein Makeup, keinen Schmuck   … keinen Lippenstift, keine Wimperntusche, keine Armbänder, kein Leder. Kein Leben, kein Funke, kein Lächeln. Sie war nicht mehr Candy. Sie war jemand anderes, jemand, der einmal Candy gewesen war   …
    Aber dann sah ich genauer hin, achtete auf die Dinge, die wirklich zählen, und anstatt das
nicht
zu sehen, was ich zu sehen erwartet hatte, sah ich, was wirklich da war. Und das
war
Candy. Es war rundherum Candy – ihr Gesicht, ihre Lippen, ihre Augen, die |404| Form ihres Körpers   … ihre blasse weiße Haut   … der Glanz ihres kastanienbraunen Haars   …
    Nichts hatte sich verändert.
    Sie sah noch immer umwerfend aus.
    Als die

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