Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
vierzigsten Geburtstag selbst geschenkt hatte, obwohl es so viel kostete wie ein gutes Auto. Daniel war nicht da, die Bettwäsche war in einem Apricot, das sie nie in ihrem Haus dulden würde, geschweige denn in ihrer Wohnung, und ihre statisch aufgeladenen Haare an den Unterarmen verrieten ihr, dass sie außerdem aus Polyester war.
Lily rollte sich auf die Seite und blickte auf die große, leere Fläche im Bett neben ihr.
Sie drehte sich wieder auf den Rücken. Stieß ein Seufzen aus. Ließ die Verzweiflung über ihre missliche Lage über sich hereinbrechen.
Nachdem diese fast den absoluten Tiefpunkt erreicht hatte, wurde ihr bewusst, dass sie sich dort schon fast heimisch fühlte. Jeder Morgen – wenn sie ehrlich war zu sich selbst – hatte bereits seit langer Zeit etwas Trostloses.
Aus diesem Grund organisierte sie sich zu Hause einen proppenvollen Terminkalender, der in dem Moment begann, wenn sie die Augen aufschlug, und den sie mit wild entschlossener Begeisterung unerschrocken anging. Es gefiel ihr so. Sie organisierte es so. Müßiggang ist aller Laster Anfang, hatten die Nonnen immer gesagt, und Lily hatte entdeckt, dass das ebenso für den Verstand galt.
Sie setzte sich in ihrem synthetischen Bett auf, während die statische Aufladung an ihrem Seidenpyjama zupfte. Sie musste raus und ins Schwitzen kommen. Aber als sie aus dem Bett kletterte, um ihre Laufschuhe herauszukramen, erhaschte sie einen Blick auf die Aussicht, die still hinter dem Postkartenmotivfenster wartete.
Die Toskana, ein Ort, auf den Lily nie im Geringsten neugierig gewesen war, trotz zahlreicher Reisegelegenheiten, ein Ort, den sie sich nicht einmal ausmalen hatte wollen und der sie auf den ersten Eindruck nicht gerade überwältigt hatte. Trotzdem, hier war die Toskana, und hier war Lily, und wieder verschlug es ihr den Atem.
Sie näherte sich dem Fenster und blickte hinaus auf das wogende Mosaik in Grün; so viele verschiedene Schattierungen, jede noch intensiver oder leuchtender oder blendender als die daneben. Hätte Lily sich zuvor die Toskana überhaupt vorgestellt, dann in dunklen Orange- und Goldtönen, in pulsierenden, kräftigen Farben. Doch ihre Vorstellung wäre zu grell und nüchtern gewesen, verglichen mit der feucht schimmernden, blühenden Landschaft aus Wiesen, Weinbergen, Olivenbäumen, Wäldern und Feldern, die sich vor ihr erstreckten.
Es war so beeindruckend, dass es unmöglich war, sich auf das zu konzentrieren, was sie hierhergeführt hatte.
Stattdessen lehnte sie sich gegen den Fensterrahmen und beobachtete, wie sich das Tageslicht allmählich über die Hügel ergoss. Das beleidigende Apricot der statischen Bettwäsche und Lilys unglückliches Herz gerieten in Vergessenheit, während sich die natürlichen Farben der Welt vor ihr entfalteten.
Sie dachte zwar noch daran, dass sie sich bewegen sollte, aktiv werden, weitermachen – womit auch immer –, aber die Sonne zu beobachten, die ständig am Himmel höher kletterte und mit ihren Fingern langsam über die geschwungenen Hügel und Täler tastete, war absolut faszinierend.
Erst als Lily unter ihr ein Scheppern hörte, weil etwas heruntergefallen war, wurde ihr bewusst, dass sie einen Bärenhunger hatte. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es jetzt in New York war oder wie viele Mahlzeiten sie verpasst hatte. Sie hatte nichts mehr gegessen seit dem Flug am Vortag. Sie hatte mächtigen Kohldampf.
Sie durchquerte das Zimmer und blickte aus dem anderen Fenster den Corso hoch und runter. Das Hotel Adesso machte einen bemerkenswert unversehrten Eindruck nach der Rohrkatastrophe gestern. Es schien zu schlafen, genau wie der Rest der Straße, still hinter verschlossenen Fensterläden. Die Sonne war kurz davor, die Stadt mit ihrer goldenen Berührung zu wecken, so wie sie Lily und das Tal geweckt hatte.
Sie fragte sich, ob Daniel irgendwo in der Nähe schlief, mit entspanntem Gesicht und blonden Haaren, die an einer Seite hochstanden, wie üblich morgens, bevor er sie wusch, und mit der dunklen gefährlichen Frau, die sich ruhelos hin und her wälzte an seiner Seite.
Wieder zogen sich Lilys Eingeweide schmerzhaft zusammen, und das lag nicht am Hunger. Es lag an Daniel. Sie wandte sich ab von der herrlichen Aussicht.
Sie sollte eigentlich wütend sein, dachte sie, während sie sich die Haare in der winzigen Dusche wusch. Statt über die alberne Aussicht zu staunen oder an Belanglosigkeiten zu denken wie die Morgenfrisur ihres betrügerischen Mannes, sollte sie
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