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Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)

Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah-Kate Lynch
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Qual, ihnen dabei zuzusehen. Aber es hatte auch etwas Wunderbares, wie modernes Ballett. Sie machten es ohnehin, unabhängig davon, wie erfreulich die Ergebnisse waren.
    Und der Duft, als die warme Butter und der Zucker sich vermischten, machte Lily benommen. Es war einfach so … nun, sie konnte nicht sagen, wie es war, aber es verursachte ihr unerwartet einen Kloß in der Kehle.
    »Dafür gibt es heutzutage Geräte, wissen Sie«, sagte sie mit stockender Stimme. »Es gibt Mixer und Küchenmaschinen und Rührstäbe und solche Sachen.«
    Violetta und Luciana tauschten weiterhin die Plätze, hoben butterige, mehlige, gekrümmte, klauenartige Hände in die Luft, während sie vor- und zurücktraten, perfekt aufeinander abgestimmt.
    Lily spürte, dass eine unerklärliche Träne über ihre Wange rollte, als eine der beiden forthumpelte, um eine Schüssel Haselnüsse zu holen, deren Inhalt sie daraufhin unbeholfen in den Teig kneteten, bevor Violetta diesen in zwei große Brocken riss. Luciana teilte die Hälften erneut, rollte sie zu vier unförmigen Würsten und verteilte sie auf ein Backblech, das Violetta anschließend in den Backofen schob.
    »Ich benutze meinen Backofen als Aufbewahrungsort für meine Kaschmirpullover«, erzählte Lily und wischte sich über die Augen, während die Schwestern die nächste Ladung Mehl und Zucker auf den vermanschten Tisch kippten und wieder von vorne begannen. Wie zum Henker verwandelte man diese unförmigen Rollen in Biscotti?
    »Obwohl, ich habe auch eine Schwester – Rose«, fuhr sie fort. »Und sie hat ihn einmal für den Thanksgiving-Truthahn benutzt. Also meinen Backofen.«
    Platsch, und die Eier landeten in der Mischung.
    »Das war nach meiner zweiten Fehlgeburt, glaube ich«, sagte Lily weiter. »Ich fand nicht, dass es irgendwas auf der Welt gab, für das ich mich bedanken wollte. Aber Rose war nicht davon abzuhalten zu kommen. Sie schneite einfach mit ihrem Baby und einer Flasche Champagner herein. Und mit Al natürlich, der einen Korb schleppte, in dem ein riesiger Truthahn steckte, dazu das Geheimrezept seiner Mutter für die Füllung und ein Pecan Pie, den ich übrigens nicht ausstehen kann.«
    Violetta träufelte zerlassene Butter über die zweite Cantucci -Mischung.
    Lily fiel ein, dass sie an diesem Thanksgiving eine ganze Flasche Schampus geleert hatte – und mehr.
    Tatsächlich, überlegte sie, könnte es auch nach der dritten Fehlgeburt gewesen sein. Und sie hatte damals schon gedacht, dass es nichts gab, wofür sie dankbar sein musste! Sie konnte nicht ahnen, dass ihr alles in allem fünf kostbare, unvollständige Engel entrissen würden, bevor sie sie überhaupt kennenlernen durfte.
    »Und dann war da Grace«, sagte sie, mit so verträumter Stimme, dass es fast geflüstert war. »Die kleine Grace.«
    Auch sie wurde ihr entrissen, aber nicht, bevor Lily sie kennenlernte.
    »Grace konnte ich ganze sechs Tage im Arm halten. Ich schwöre, ich habe dieses Köpfchen sicher tausendmal geküsst.« Wenn sie die Augen schloss, konnte sie immer noch die seidige Berührung von Graces goldenem Haarflaum an ihren Lippen spüren, an ihrer Wange: ein Gefühl wie kein anderes.
    »Manchmal, wenn ich einen Hauch von Talkumpuder an einem fremden Baby wahrnehme, fühle ich mich sofort nach Tennessee zurückversetzt. Ich wiege sie in den Armen, und alles, was ich mir je gewünscht habe in der großen weiten Welt, ist dieses winzige Bündel, das sich an mich schmiegt.«
    Und dann, zupp!, verpuffte das Bild genauso schnell, und sie wurde wieder aufgefressen von dem, was sie nicht hatte.
    »Grace«, wiederholte Lily sanft. »Es ist lange her, dass ich den Namen laut ausgesprochen habe.«
    Plötzlich qualmte es heftig aus dem uralten Backofen, und die Schwestern stürzten hinüber und wedelten mit ihren Schürzen, wodurch große Mehlwolken vor ihnen in die Höhe stoben. Lily schüttelte sich, als würde sie aus einer Trance erwachen, und das Bild von all diesen kleinen rosafarbenen Stramplern, die nie getragen werden würden, verflüchtigte sich in die Ecken des verqualmten Raums. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie so viel geplappert hatte. Schließlich konnten die alten Damen kein einziges Wort davon verstehen.
    »Ich denke, wenn Sie mich nicht brauchen, um die Feuerwehr zu rufen«, sagte sie, »mache ich mich mal auf den Weg.« Und während Luciana und Violetta abgelenkt waren, weil sie versuchten, ihre angebrannten Keksrollen zu retten, schlich Lily sich samt ihrer Tasche aus

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