Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
ihre Torta della nonna probiert?«, fragte die Witwe Ciacci in schwärmendem Ton. »Ich glaube, sie mischt den Ricotta mit Vanillepudding. Und vielleicht gibt sie dazu einen Schuss Alkohol rein. Und sie kann noch tief genug in die Knie gehen, um Bocce zu spielen! Das schafft sonst keine in der Liga.«
Das war das Letzte, was Violetta hören wollte. »Was ist der Grund für deinen außerplanmäßigen Besuch?«, fragte sie barsch.
»Zwei Dinge: Erstens, die Witwe Benedicti hat uns Alessandros Termine für diese Woche durchgefaxt, damit wir ein paar Sachen einfädeln können. Und zweitens: In eurer Pasticceria steht ein Kind, das sich mit Grace Kelly unterhält. Es ist dieses seltsame Mädchen von der anderen Seite der Piazza, das immer Streit sucht und Sachen beschädigt.«
16
Nach ihrer Flucht aus der Küche nahm Lily sich in der Bäckerei einen Moment Zeit, um sich zu sammeln, während sie sich gegen die Marmortheke lehnte und den Inhalt der Cantucci -Schüssel vor ihr betrachtete.
Diese armen alten Frauen. Was dachten sie sich dabei? Dass die beiden überhaupt jemals genug Kekse produziert hatten, um ein Geschäft zu betreiben, war erstaunlich. Dass sie es immer noch versuchten, war etwas anderes.
Lily nahm sich ein Stück Cantucci aus der Schüssel, blies den Staub ab und hielt es hoch in das goldene Licht, das vom Corso hereinsickerte. Das Gebäck war nach wie vor fest, wie alt es auch sein mochte, dachte sie, und sah verlockend genug aus für jemanden, der einen süßen Zahn hatte. Die Haselnüsse wirkten robust und glänzten sogar leicht. Sie schnupperte an dem Keks und nahm überrascht eine frische Brise wahr, ein bisschen wie an der Meeresküste, aber mit einem verweilenden Aroma. Sie drehte das Gebäck im Licht. Für ein Naschwerk, das seine beste Zeit längst hinter sich hatte, hielt es sich erstaunlich gut.
Draußen wurde die schläfrige Morgenstille unsanft von einer Unruhe unterbrochen, die anschwoll, während die Ursache dafür sich dem Laden näherte. Durch das schmutzige Fenster sah Lily verschwommen bunte Farben vorbeihuschen, eine wirbelnde Ansammlung von Armen, Beinen, schrillem Kreischen und Frohsinn. Die Tür flog auf, die Ladenklingel bimmelte, die Kakophonie drang in den kleinen Raum, die Tür schloss sich, die schrillen jungen Stimmen verklangen, und durch den von hinten beleuchteten Staub, der wild umherwirbelte, bevor er wie ein glitzernder Bühnenvorhang aus Gold auf den Boden sank, tauchte ein kleiner dunkelhaariger Engel auf.
Der Staub setzte sich. Der Cantucci -Keks plumpste aus Lilys Fingern zurück in die Schüssel mit einem soliden »Klack«.
Der kleine dunkelhaarige Engel war das kleine Mädchen auf dem Foto in Daniels Golfschuh.
Das Kind war inzwischen ein oder vielleicht zwei Jahre älter und trug ein Kostüm mit Flügeln auf dem Rücken, aber sonst sah es genauso aus.
Lily hatte vom ersten Moment an gewusst, als sie das Foto gesehen hatte, dass die Kinder von Daniel waren. Aber jetzt dieses Mädchen in Fleisch und Blut zu sehen? Es hatte sogar Daniels Beine, lang und schlank, aber leicht nach außen gebogen von der Hüfte abwärts. Das gleiche Kinn wie Daniel, das gleiche offene Gesicht. Daniel war ein hübsches Kind gewesen, und dieses Mädchen, seine Tochter, hatte sein Aussehen geerbt, obwohl es dunkelhaarig war und nicht blond wie er. Aber es hatte grüne Augen, genau wie Daniel, genau die gleichen Augen. Die Kleine war nicht niedlich, nicht im Sinne von anbetungswürdig süßem Kind, aber sie war wahrlich faszinierend auf eine Art, die für immer bleiben würde, im Gegensatz zu niedlich, das kam und ging.
Die Flügel waren aus blassgelbem Tüll, gespannt über ein Drahtgestell, das über ihren Schultern hing wie ein Rucksack. Sie keuchte, als wäre sie längere Zeit gerannt.
Doch sie drehte sich nicht um, um zu sehen, ob der Zyklon aus Armen und Beinen ihr in den Laden folgte. Sie rührte sich nicht von der Stelle, sie blickte Lily nur an.
»Wer bist du?«, fragte sie schließlich in sehr gutem Englisch. Ihr hübsches Gesicht war lebendig und neugierig. Sie besaß Selbstvertrauen. Selbstvertrauen und Schönheit: die perfekte Kombination.
Oh, ich will eins, meldete sich Lilys biologische Uhr unpassenderweise. Ich will eins, ich will eins, ich will eins.
Lily öffnete den Mund, um zu antworten, aber die Sehnsucht erstickte ihre Stimme, als ihr der Gedanke kam, dass dieses Kind womöglich von ihr wusste, dass es wusste, dass sein Vater eine Frau hatte, die Lily
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