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Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)

Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah-Kate Lynch
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erklärte Francesca seufzend. »Er ist eine schreckliche Nervensäge.«
    »Du sprichst super Englisch für ein kleines Mädchen, Francesca«, sagte Lily. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob du über deinen kleinen Bruder so reden solltest.«
    »Mein Papa hat mir Englisch beigebringt. Und ich bin fast sieben«, informierte Francesca sie. »Ich bin also nicht mehr klein. Ernesto ist klein.«
    Fast sieben. Lily wandte sich ab und kramte nach etwas Imaginärem in ihrer Handtasche. Sie wollte nicht, dass Francesca ihr Gesicht sah. Fast sieben. Dann war sie nur ein Jahr jünger als Grace. Grace war jetzt fast acht.
    In dem Jahr, nachdem sie Grace verloren hatten, das Jahr, in dem Lilys Welt abermals zusammengebrochen war und sie in Scherben zurückließ, die sie nie wieder richtig zusammenfügen konnte, war alles, woran sie sich klammern konnte, ihre Arbeit. Ihre Arbeit und Daniel. Weil das eine sie daran hinderte nachzudenken, und der andere wusste, was sie dachte. Und trotzdem, ausgerechnet in diesem Jahr, diesem scheußlichen, schrecklichen Jahr, hatte Daniel keineswegs gedacht, was sie dachte, hatte nicht gelitten, wie sie gelitten hatte. Stattdessen war er hierhergekommen und hatte sich dieses perfekte Paralleluniversum erschaffen.
    Alles, was sie sich immer gewünscht hatte, aber ohne sie.
    Die Flammen ihrer ausbleibenden Wut schlugen plötzlich in ihr empor, züngelten an ihr, verbrannten sie. Sie mussten sofort gelöscht werden.
    »Tut mir leid, Herzchen«, sagte sie zu Francesca. »Ich muss jetzt gehen. Musst du irgendwohin? In die Schule vielleicht?«
    »Es ist Sommer«, erwiderte Francesca, und ihr hübsches Lächeln war verschwunden. »Die Schule hat zu.«
    Widerstrebend folgte sie Lily an die Tür und zögerte, bis Lily sie durchwinkte, aber als sie an ihr nach draußen vorbeiging, kam das verschwommene Farbenspektrum – das sich als eine Gruppe von Mädchen entpuppte, ungefähr im selben Alter wie Francesca – wieder die Straße hochgelaufen.
    Sobald Francesca sie sah, trat sie zurück in den Laden und drückte sich und ihre Feenflügel eng an Lilys leeren Körper.
    Lily sah die Blicke, die die Mädchen wechselten, und spürte, dass Francesca vor ihnen zurückwich. Eins der Mädchen kicherte höhnisch, und die anderen stimmten prompt ein – das gleiche schrille Gackern –, dann rannten sie los und verstreuten sich, während sie etwas riefen, das Lily nicht verstand. Francesca drückte sich weiter an sie.
    Die Flügel hatten aus der Nähe betrachtet jede Menge kleine Löcher, als wäre die Fee, der sie gehörten, vor langer Zeit von Kugeln durchsiebt worden. Francescas Kleid, wurde Lily bewusst, war auch nicht richtig sauber. Ein dünner Halbmond aus Schmutz haftete unter ihren Fingernägeln. Ihre Haare waren schon länger nicht gekämmt worden. Wer kümmerte sich um sie?
    Nachdem das Klappern der Mädchensandalen vollständig verklungen war, entspannte sich Francesca und trat wortlos hinaus auf die Straße, als wäre nichts passiert.
    Sie wandte sich um, und für den Bruchteil einer Sekunde sah Lily an ihrem Gesicht, dass sie sich enorm zusammenriss, und ihr wurde klar, dass es voreilig gewesen war, dem Kind ein großes Selbstvertrauen beizumessen.
    Die Kleine demonstrierte es jetzt wieder, aber es war keine natürliche Ressource, wie Lily ursprünglich angenommen hatte. In Gegenwart der anderen Mädchen war es zerbröckelt. Wie sehr Lily sich wünschte, diesen tapferen kleinen Körper zu halten, ihr Gesicht zu küssen, sie zu trösten, ihr zu sagen, dass alles gut würde, dass sie mehr wert sei als hundert dieser Mädchen, tausend, eine Million.
    »Kommst du zurecht?«, fragte Lily so beiläufig wie sie konnte.
    »Bist du morgen wieder hier?«, entgegnete Francesca, die bereits wieder herumtänzelte.
    »Ich weiß noch nicht genau«, antwortete Lily. »Aber falls ja, hoffe ich, dass wir uns wiedersehen.«
    »Okay«, sagte Francesca.
    »Es hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Tinker Bell«, sagte Lily. »Sehr sogar.« Und bevor sie sich blamieren und das Kind in Verlegenheit bringen konnte, indem sie etwas freien Lauf ließ, das sich wie ein Leben voller nicht vergossener Tränen anfühlte, drehte sie sich um und marschierte den Hügel herunter.
    »Ciao, ciao«, rief Francesca ihr hinterher. »A domani.«
    Bis morgen.

17
    Daniel wurde auf der winzigen Couch in seinem engen Hotelzimmer wach, vollständig bekleidet und mit einem fürchterlichen Kater.
    Sein Nacken schmerzte, sein Kopf schmerzte, sein

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