Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
möglicherweise schon, aber nicht für jeden.«
»Nun, wenn er der Calzino rotto ist, dann geht es allein um ihn.«
»Richtig! Aber was, wenn er nicht der Calzino rotto ist, Violetta? Was, wenn Lily der Calzino rotto ist? Vielleicht ist es ihr Herz, das geflickt werden muss. Vielleicht hat Alessandro überhaupt nichts damit zu tun.«
»Lily der Calzino rotto?«
»Wir haben bereits festgestellt, dass sie nicht fremder ist als alle anderen.«
»Aber Lily und wer dann? Alberto? Mario? Das ergibt keinen Sinn.«
»Nun, was ist mit ihrem Ehemann?«
»Das ist wohl kaum ein anständiger Mann. Er hat sie betrogen.«
»Er hat sich um Eugenia und ihre Kinder gekümmert, obwohl die meisten Männer an seiner Stelle schon vor Jahren das Weite gesucht hätten. Haben wir nicht alle immer vermutet, dass mehr hinter diesem Szenario steckt, als wir zu sehen bekommen? Eugenia kann sehr unberechenbar sein, und er wohnt nicht einmal bei ihr, wenn er hier ist.«
»Na und?«
»Violetta, muss ich dich daran erinnern, dass Seitensprünge manchmal dumm und gleichzeitig anständig sein können?«
Vor vielen, vielen Jahren, als die Schwestern mit den Zwillingsbrüdern verlobt waren, war Violetta in das vermeintliche Bett ihres Geliebten geschlüpft, nur um zwei schreckliche Dinge festzustellen: erstens, dass der Mann im Bett nicht ihr Geliebter war, und zweitens, dass er es hätte sein sollen.
»Ein einziger Kuss hat genügt«, erinnerte Luciana sie, »und dir war sofort klar, dass du dich mit dem falschen Mann verlobt hast. Aber du wusstest es plötzlich, einfach so. Ein einziger Kuss, hm? Und du hast etwas unternommen, obwohl du ein großes Risiko eingegangen bist. Du hast es ihm gesagt, du hast es mir gesagt, du hast es Silvio gesagt. Du hättest uns alle verlieren können, aber du hast an die wahre Liebe geglaubt, du hast an dich selbst geglaubt, und wir haben an dich geglaubt, Violetta. Wir haben alle an dich geglaubt. Und du hattest recht. Es ist genauso gekommen, wie es für uns alle gut war. Stell dir vor, du hättest zu viel Angst gehabt, um diesen Schritt zu machen. Stell dir vor, wir hätten beide am Ende den Falschen geheiratet.«
»Aber du hast selber gesagt, es war ein Fehler.«
»Ja, damit anzufangen war ein Fehler. Aber jeder macht mal Fehler. Es geht darum, die Fehler zu erkennen und den Mut zu haben, sie wieder in Ordnung zu bringen, und genau das macht dich so besonders.«
»Ich bin nichts Besonderes, das versuche ich dir schon die ganze Zeit zu sagen.«
»Du bist etwas ganz Besonderes, Violetta, das versuche ich dir schon die ganze Zeit zu sagen. Du hast damals gewusst, zu wem du gehörst, und du hast getan, was nötig war, um es geradezubiegen. Und dieses Mal wird es genauso sein. Du bist etwas Besonderes, und ich glaube nach wie vor an dich.«
Violetta schwieg einen Moment, während sie darüber nachdachte.
»Santa Ana di Chisa«, flüsterte sie schließlich, erhob sich langsam von ihrem Stuhl und stand aufrechter als seit Monaten. »Oh, Santa Ana di Chisa, ich hatte soeben eine gewaltige Erleuchtung!«
Sie sah Luciana an.
»Du bist es«, sagte sie. »Du bist es. Du bist mein sechster Sinn. Ich habe ihn doch nicht verloren! Du bist es! Schwester, rufen Sie den Krankenwagen!«
»Violetta, wir sind bereits im Krankenhaus.«
»Das weiß ich, aber ich muss zurück in die Stadt, und die schulden mir noch eine Fahrt. Mach nicht so ein Gesicht, ich lasse dich hier schon nicht alleine zurück. Auf mich machst du einen völlig gesunden Eindruck, also kann es nur schlechter werden, wenn du bleibst, wo du bist. Ich helfe dir beim Anziehen, und dann fahren wir nach Hause.«
36
Lily überquerte die prachtvolle Piazza grande, während sie Francesca an der Hand hielt und nur halb ihrem Geplapper zuhörte, als sie plötzlich ihren Ehemann auf dem Platz entdeckte.
Ihr Herz setzte einen altmodischen Takt lang aus.
Er wartete im Schatten des Brunnens gegenüber dem Duomo, ein Bein über das andere geschlagen, die Hände in den Taschen, die Augen hinter einer Sonnenbrille versteckt.
Er trug eines der Polohemden, die Lily ihm geschenkt hatte, ein Umstand, der sich in ihrer Brust verfing und sich hineinbohrte mit der Gewalt eines Dolches.
Er schien ganz er selbst zu sein, das war das Bemerkenswerte: so ganz der Mann, für den sie ihn hielt, der Mann, den sie glaubte zu kennen. Sie hatte erwartet, dass er anders aussehen würde, nun, da er nicht ihr perfekter Ehemann war, sondern ein Fremder, ein Lügner und ein Dieb
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