Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
lassen muss. Es könnte genauso gut Rose sein, die für Lily kämpfte. Diese temperamentvolle Carlotta war nicht grimmig, sondern hatte Angst.
Lily lächelte, und eine Art heimliches Verstehen wechselte nun zwischen den beiden Frauen.
Carlotta beugte sich herunter, um etwas zu Francesca zu sagen, und gab ihr anschließend einen Kuss.
»Sie sagt, du kannst mich zu ihr bringen, wenn wir fertig sind«, wiederholte die Kleine, wand sich aus ihrem Griff und hüpfte hinter die Theke zu Lily. »Ich zeige dir dann den Weg.«
»Aber das Baby«, sagte Lily zu Francesca, da sie plötzlich an die dicken gestreiften Beinchen denken musste zu Hause bei Eugenia. »Kannst du sie fragen, was mit dem Baby ist?«
»Er ist kein Baby«, entgegnete Francesca nahezu beleidigt. »Er ist fast drei.«
»Okay, könntest du trotzdem für mich fragen?«, drängte Lily, was Francesca dann auch tat und gleich darauf berichtete, dass Ernesto sie nichts anginge.
»Er geht mich nichts an?«, wiederholte Lily und sah Carlotta an, deren braune Augen unruhig blieben, während sie den Kopf schüttelte und bekräftigte: »Non gli deve interessare.«
»Du solltest froh sein«, sagte Francesca. »Er schreit fast so oft wie Mamma. Und er stinkt.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Lily, aber Carlotta wiederholte nur, was sie bereits gesagt hatte, bevor sie ihre wilde Mähne schüttelte und zur Tür hinausstürmte, den Corso hoch.
Lily hatte in der Küche alles so vorbereitet, wie Rose es ihr empfohlen hatte, um es leichter zu machen, falls Lily durcheinanderkam oder etwas schiefging, womit sie fest rechnete. Die beiden alten italienischen Schwestern mochten die Sachen aus ihrem Vorratsschrank holen und sie einfach auf den Tisch knallen, aber Lily hatte nicht vor, es so total in modo naturale zu machen.
Zuerst versuchte sie, Mehl und Zucker mit einem zauberstabähnlichen elektrischen Gerät zu verrühren, aber die trockene Mischung stob mit erschreckender Brutalität aus der neuen Schüssel, sodass Francesca kreischte und das Mehl bis an die Wände flog. Beim nächsten Versuch machten sie es auf die altmodische Art, zwar in der Schüssel, aber mit einem Holzlöffel.
»Okay, und jetzt geben wir die uova dazu«, verkündete Lily mit mehr Zuversicht als sie spürte.
Ihr erster Versuch, ein Ei aufzuschlagen, endete damit, dass das meiste von der Schale in der Mischung landete und mindestens das halbe Ei daneben auf dem Tisch. Der zweite Versuch war nicht viel besser. Beim dritten Mal delegierte sie die Aufgabe an Francesca, die zuerst nichts davon wissen wollte und schließlich widerstrebend das Ei nahm und mit übertriebener Sorgfalt, jedoch wohl etwas heftig, punktgenau an den Schüsselrand schlug. Daraufhin zerplatzte das ganze Ding, explodierte über dem Tisch und rutschte an den Rand wie ein böses gelbes, unförmiges Alien. Francesca stürzte sich mit einem Satz darauf, um es am Weiterrutschen zu hindern, wodurch sie den Karton mit den restlichen Eiern auf den Boden stieß. Acht Eier landeten kopfüber auf dem Steinboden und zerbrachen sofort, während das neunte unsanft auf Lilys Schuh plumpste und gleich darauf eine glänzend gelbe Pfütze zwischen ihre Zehen sickerte.
Francesca wich vom Tisch mit erhobenen Händen zurück, und Lily hätte gelacht, wenn sie nicht sofort erkannt hätte, dass dies keine komische Wendung war. Es war kein Schalk in diesen hellgrünen Augen, sondern etwas völlig anderes, etwas, das eine Saite in ihrem eigenen lange verlorenen siebenjährigen Ich berührte.
Francesca blickte sie ängstlich an. »Es tut mir schrecklich leid«, flüsterte sie, den Tränen nahe. »Das war keine Absicht. Es tut mir sehr leid, Lillian.«
Lilys Herz rutschte hinab bis in ihre mit Ei getränkten Zehenspitzen.
In diesem Augenblick begriff sie etwas Monumentales. Nicht über sich selbst oder über Daniel oder ihre Ehe oder seine Freundin oder ihre Mutter oder ihre eigenen versteckten Ängste und begrabenen Geheimnisse. Tatsächlich nichts über die Vergangenheit, sei es ihre oder die eines anderen. Vielmehr begriff sie etwas über die Zukunft – dass man die Zukunft ändern konnte, wenn nur einer wusste, dass das nötig war. »Du brauchst nur einen Menschen, der für dich über glühende Kohlen gehen würde«, hatte ihre weise, herzliche, kostbare kleine Schwester gesagt. Nur einen Menschen.
»Oh, diese blöden uova«, sagte sie zu Francesca und nahm ein frisches Ei aus einem neuen Karton. »Kannst du es auch nicht leiden, wenn sie sich
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