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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Wolken anbringen«, schlug Dal vor.
    Bergen war ein wenig verstimmt. »Mit dem Himmel bin ich noch nicht fertig«, sagte er.
    »Verzeihung.«
    Und Bergen malte weiter. Alles gelang ihm, außer daß er die Peitschenbäume nicht recht hinzubekommen schien. Sie fielen immer wieder so braun und massiv aus, was überhaupt nicht in Ordnung war. Und als er versuchte, sie gebogen zu zeichnen, gelangen sie ebenfalls nicht und wirkten nicht lebensecht. Endlich fluchte er, warf den Pinsel aus dem Fenster, sprang auf die Füße und wollte davonstürzen.
    Dal trat vor das Bild hin und sagte: »Bergen, Sir, das ist nicht schlecht. Es ist sogar ganz gut. Nur die Peitschenbäume.«
    »Ich sehe doch selbst diese verdammten Peitschenbäume«, knurrte Bergen, der darüber wütend war, daß sein erster Versuch nach Jahren ihm mißlungen war. Und er drehte sich um und sah, daß Dal mit einem dünnen Pinsel über die Leinwand fuhr und schnelle Striche anbrachte. »Vielleicht so, Sir.«
    Bergen trat vor die Leinwand. Da waren die Peitschenbäume, bei weitem das Naturgetreueste, Lebendigste und Schönste auf dem ganzen Bild. Bergen betrachtete sie – wie mühelos wirkte alles, wie leichthin hatte Dal sie in das Bild gezaubert. Das durfte einfach nicht sein. Bergen wollte Künstler werden, nicht Dal. Es war ungerecht und unfair, daß Dal imstande sein sollte, Peitschenbäume zu malen.
    Wütend schrie Bergen etwas Unverständliches, schlug zu und traf Dal seitlich am Kopf. Dal war wie betäubt. Nicht von der Wucht des Schlages, sondern von der bloßen Tatsache.
    »Du hast mich noch nie geschlagen«, sagte er erstaunt.
    »Es tut mir leid«, entschuldigte sich Bergen sofort.
    »Ich habe doch nur die Peitschenbäume gemalt.«
    »Ich weiß. Es tut mir leid. Es ist nicht meine Art, Diener zu schlagen.«
    Jetzt verwandelte sich Dals Überraschung in Wut. »Diener?« fragte er. »Ich hatte einen Augenblick lang vergessen, daß ich Diener bin. Ich sah nur, daß wir beide dasselbe versuchten und ich besser war als du. Ich hatte ganz vergessen, daß ich nur Diener bin.«
    Diese Wendung der Dinge ängstigte Bergen. Er hatte seine Worte nicht böse gemeint. Er hatte nur darauf hinweisen wollen, daß er sich seinem Diener gegenüber beherrschen konnte.
    »Aber Dal«, sagte er unschuldig. »Du bist Diener.«
    »Das bin ich. Ich muß in Zukunft daran denken. Ich darf kein Spiel gewinnen. Ich muß über deine Witze lachen, selbst wenn sie dumm sind. Dein Pferd muß immer ein wenig schneller sein. Ich muß dir immer recht geben, auch wenn du Unsinn redest.«
    »Ich wollte noch nie, daß mich jemand so behandelt!« sagte Bergen, der über Dals unfaires Verhalten wütend war.
    »So behandeln Diener nun einmal ihre Herren.«
    »Ich will nicht, daß du mein Diener bist. Du sollst mein Freund sein!«
    »Ich dachte, ich sei dein Freund.«
    »Du bist mein Diener und mein Freund.«
    Dal lachte. »Bergen, Sir, man ist entweder Diener oder Freund. Es sind entgegengesetzte Richtungen auf derselben Straße. Entweder wird man für seine Dienste bezahlt, oder man leistet sie aus Freundschaft.«
    »Aber du wirst für deine Dienste bezahlt und ich dachte, du leistetest sie trotzdem aus Freundschaft!«
    Dal schüttelte den Kopf. »Ich habe dir aus Freundschaft gedient, und ich dachte, daß du mich auch aus Freundschaft kleidest und ernährst. Ich habe mich bei dir frei gefühlt.«
    »Du bist frei.«
    »Ich habe einen Vertrag.«
    »Wenn du willst, werde ich dich von dem Vertrag entbinden!«
    »Ist das ein Versprechen?«
    »Bei meinem Leben. Du bist kein Diener, Dal!«
    Die Tür ging auf, und Bergens Mutter und sein Onkel kamen herein. »Wir hörten Geschrei«, sagte seine Mutter. »Wir dachten, ihr streitet euch.«
    »Wir hatten eine Kissenschlacht«, sagte Bergen.
    »Warum liegt dann das Kissen so ordentlich auf dem Bett?«
    »Wir waren fertig und haben es zurückgelegt.«
    Der Onkel lachte. »Du erziehst ihn ja zu einem richtigen kleinen Hausmädchen, Selly.«
    »Mein Gott, Nooel, es war kein Spaß. Er malt tatsächlich noch.« Sie gingen zu dem Bild und sahen es sich genau an.
    Endlich drehte sich Nooel zu Bergen um und reichte ihm die Hand. »Ich hielt es für Prahlerei, für das Gerede eines Teenagers. Aber du hast Talent, mein Junge. Der Himmel ist noch nicht so gut gelungen, und an den Details müßte man noch arbeiten. Aber wer solche Peitschenbäume malen kann, hat Zukunft.«
    Bergen wollte nicht unverdient gelobt werden.
    »Die Peitschenbäume hat Dal

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