Capitol
dann ein Jahr wach zu sein.«
»Ich müßte also nur während eines von sechs Jahren leben?«
»Auf diese Weise drückt der Kaiser seine Wertschätzung bedeutender wirtschaftlicher Macht aus.«
»Aber ich will malen.«
»Dann malen Sie. Aber, wie die Regierungsrevisoren berichten, führen Ihre Manager die Geschäfte mit bemerkenswertem Erfolg weiter. Sie könnten vielleicht die Gräber Ihrer Eltern besuchen und dann zurückkommen, um die zwei Jahre, zu denen Sie berechtigt sind, abzuschlafen.«
»Es gibt noch jemanden, den ich besuchen muß.«
»Wie Sie wünschen. Innerhalb der nächsten drei Tage können wir Sie wieder einschläfern. Kommen Sie später, müßten Sie ein ganzes Jahr wachbleiben und hätten zwei Jahre Schlaf verloren.«
Die ersten beiden Tage verbrachte Bergen damit, Dal Vouls zu suchen. Er fand ihn, als er sich daran erinnerte, daß Dal immer noch durch Vertrag an seinen Vater gebunden war – die Testamentsvollstrecker konnten seinen Aufenthaltsort ermitteln, da er gelegentlich Geld über wies, um die Fünfundsiebzig-Prozent-Klausel zu erfüllen.
Dal öffnete die Tür, und sein Gesicht strahlte vor Wiedersehensfreude. »Bergen«, sagte er. »Tritt näher. Es ist drei Jahre her, nicht wahr?«
»Ungefähr, Dal, aber mir kommt es vor, als sei es gestern gewesen. Es war gestern. Wie ist es dir ergangen?«
Dal zeigte auf die Wohnungswände, an denen vierzig oder fünfzig Gemälde und Zeichnungen hingen. Zwanzig Minuten lang sprachen sie wenig. Höchstens: »Hier, dies gefällt mir« und »Wie hast du das gemacht?« Und dann setzte sich Bergen voller Ehrfurcht auf den Fußboden (es gab keine Möbel), und sie unterhielten sich.
»Wie kommst du zurecht?«
»Die Bilder verkaufen sich nur schleppend. Ich habe noch keinen Namen. Hin und wieder aber kaufen die Leute. Es gibt ein Gutes, der Kaiser hat verfügt, daß alle Regierungsbehörden auf Crove konzentriert werden sollen. Sogar der Name des Planeten wird geändert. Er soll jetzt Capitol heißen. Wenn alles gutgeht, wird Crove das politische Zentrum aller Planeten. Das bedeutet Kunden. Es bedeutet, daß Leute kommen, die etwas von Kunst verstehen, und nicht nur die Schweine von Militärs und Kaufleuten, die schon seit Urzeiten den Planeten finanziell im Griff haben.«
»Seit ich dich zuletzt sah, hast du lange Sätze sprechen gelernt.«
Dal lachte. »Ich habe mich einfach freier gefühlt.«
»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.« Bergen reichte ihm die Urkunde, die seine Entlassung aus dem Vertrag bestätigte.
Dal las das Schriftstück, lachte, las es noch einmal und fing an zu weinen.
»Bergen«, sagte er, »du weißt es nicht. Du weißt nicht, wie schwer es war.«
»Ich kann es mir denken.«
»Ich konnte die Prüfung nicht ablegen. Der Himmel weiß es, ich hatte kaum genug zum Leben. Aber jetzt –«
»Mehr noch«, sagte Bergen. »Die Prüfung kostet dreitausend. Ich habe das Geld mitgebracht.« Er gab es seinem Freund.
Dal behielt das Geld eine Weile in der Hand, dann gab er es zurück. »Dein Vater ist also tot.«
»Ja«, sagte Bergen.
»Das tut mir leid. Es muß ein Schock für dich gewesen sein.«
»Hast du es nicht gewußt?«
»Ich lese keine Zeitungen. Ich habe kein Radio. Und meine Überweisungen sind nie zurückgekommen.«
»Die Vollstrecker haben wohl gemeint, Verträge sind Verträge. Mein Vater würde niemals testamentarisch deine Freilassung verfügen.«
Sie lächelten müde, als sie an den Mann dachten, den Dal vor drei Jahren und Bergen gestern gesehen hatte.
»Und deine Mutter?«
»Die Hure ist in der Brunst gestorben«, sagte Bergen, und diesmal schwangen Emotionen in seiner Stimme. Dal berührte seine Hand. »Es tut mir leid.« Nun war es Bergen, der weinte.
»Gott sei Dank bist du mein Freund«, sagte Bergen endlich.
Dann öffnete sich die Tür, und eine Frau kam herein, die ein kaum einjähriges Kind auf dem Arm hielt. Überrascht sah sie Bergen an. »Gesellschaft«, sagte sie. »Hallo, ich heiße Anda.«
»Ich heiße Bergen«, sagte Bergen.
»Mein Freund Bergen«, stellte Dal sie einander vor. »Meine Frau Anda. Mein Sohn Bergen.«
Anda lächelte. »Er hat mir erzählt, daß Sie intelligent und hübsch sind, und darum mußte unser Sohn nach Ihnen benannt werden. Er hat recht gehabt.«
»Sie sind sehr freundlich.«
Es entspann sich eine angenehme Unterhaltung, aber es war nicht das, was Bergen erwartet hatte. Es konnte nicht die Scherze geben, die Witze für Eingeweihte, den herrlichen
Weitere Kostenlose Bücher