Capitol
Gesunkene wird nie wieder aufgebaut werden. Nie.«
Und die Droge nahm Herman die Wut und den Haß und verwandelte sie in Bedauern und leisen Kummer. Als er zwinkerte, fielen ihm Tränen aus den Wimpern.
»Italien war so schön«, sagte er.
Doon nickte nur.
Und während seine Tränen auf das Kissen flossen, jammerte Herman: »Warum hast du das getan, Junge?«
»Ich habe geübt.«
»Was geübt?«
»Die Rettung der Menschheit.«
Die Droge gestattete Herman ein leises Lächeln. »Ein ganz schöner Probelauf, mein Junge. Was kannst du nach Italien schon noch zerstören?«
Doon sagte nichts. Er trat nur ans Fenster und schaute hinaus.
»Weißt du, was draußen vor deinem Fenster geschieht?«
»Nein«, murmelte Herman.
»Bauern pressen Oliven. Und sie bringen Lebensmittel nach Florenz. Eine hübsche Szene, Großvater. Sehr ländlich.«
»Heißt das, daß Frühling ist? Oder Herbst?«
»Wer weiß das noch?« fragte Doon. »Und wen interessiert es? Auf jeder Welt im Reich sind die Jahreszeiten das, als was wir sie bezeichnen, und auf Capitol interessieren uns die Jahreszeiten schon gar nicht. Wir beherrschen alles, nicht wahr? Das Reich ist mächtig, und selbst die Versuche des Feindes, uns anzugreifen, sind nur Belästigungen wie von Moskitos.«
Das Wort Moskito sagte Herman überhaupt nichts, aber er war zu müde, sich zu erkundigen.
»Großvater, das Reich ist stabil. Vielleicht nicht so perfekt wie Italien, aber stark und stabil, und, da Somec die Elite jahrhundertelang am Leben erhält, welche Macht sollte das Reich stürzen können?«
Mühsam dachte Herman nach. Er hatte sich das Reich nie als Nation vorgestellt, wie es sie in den internationalen Spielen gab. Das Reich war – war Wirklichkeit. Nichts würde dem Reich je Schaden zufügen. »Nichts kann dem Reich Schaden zufügen«, sagte Herman.
»Ich kann es«, sagte Doon.
»Du bist wahnsinnig«, antwortete Herman.
»Wahrscheinlich«, sagte Doon, und dann erlahmte die Unterhaltung, und die Droge beschloß, daß Herman schlafen sollte. Er schlief.
*
»Ich will Doon sehen«, sagte Herman zu Grey.
»Ich möchte meinen«, antwortete Grey freundlich, »daß Sie ihn im letzten Monat oft genug gesehen haben.«
»Ich will ihn sehen.«
»Herman, dies entwickelt sich zu einer fixen Idee. Die Ärzte sagen, daß ich Ihnen nichts gestatten darf, was Sie aufregen könnte. Wenn Sie sich einige Monate vernünftig verhalten, können wir Ihnen wieder Somec geben, und von mir bekommen Sie Ihre fünfzigprozentige Vollmacht zurück.«
»Es gefällt mir nicht, daß man mich als geistesgestört betrachtet.«
»Das ist nur eine technische Frage. Es erhält Sie am Leben.«
»Ich habe ja nur versucht zu warnen –«
»Hören Sie auf damit. Die Ärzte überwachen diese Unterhaltung, Herman, das Reich ist an Ihren albernen Theorien über Doon nicht interessiert –«
»Er hat es selbst gesagt!«
»Abner Doon hat Italien zerstört. Es war häßlich, es war grausam, es war sinnlos, aber es war legal. Und jetzt phantasieren Sie darüber, daß er auch noch das Reich zerstören will –«
»Das ist keine Phantasie!« brüllte Herman.
»Herman, die Ärzte sagen, daß ich es Phantasie nennen muß. Um Ihnen zu helfen, die Wirklichkeit zu erkennen.«
»Er will das Reich zerstören! Er ist dazu imstande!«
»Solche Reden sind Verrat, Herman. Wenn Sie aufhören, so zu reden, können wir Sie nach dem Gesetz für geistig gesund erklären. Aber wenn Sie im Vollbesitz Ihrer geistigen Kräfte solche Dinge sagen, könnten Sie von den kleinen Knaben der Großen Mutter sehr schnell hingerichtet werden.«
»Grey, ob ich verrückt bin oder nicht, ich will mit Doon reden!«
»Lassen Sie das, Herman. Vergessen Sie es. Es war nur ein Spiel. Er war gekränkt und versuchte, auch Sie zu kränken. Nehmen Sie es doch nicht so tragisch.«
»Grey, sagen Sie den Ärzten, daß ich mit Doon reden will.«
Grey seufzte. »Ich werde es ihnen sagen, aber unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Daß, wenn Sie Doon getroffen haben, Sie nie wieder um eine weitere Begegnung bitten.«
»Das verspreche ich. Ich will ihn nur einmal treffen.«
»Dann will ich sehen, was ich tun kann.«
Grey schaltete das Telefon ab, und auch Herman trennte die Verbindung. Über das Telefon konnte er sich nur mit Greys Büro in Verbindung setzen. Andere Anrufe konnte er nicht tätigen. Er konnte die Tür nicht öffnen, und an seinem Computer konnte er auch nicht mehr die Spielübertragung
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