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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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über das Wasser, dessen Oberfläche sie nur alle paar Jahre berührten.
    Und dann stieß ihr der nette junge Mann mit der Kerbe im Kinn (er sah so gut aus, daß er Schauspieler hätte sein können, wie Arran feststellte) vorsichtig die Nadel in den Arm, wobei er sich für den Schmerz entschuldigte, den er ihr zufügen mußte.
    »Ist schon gut«, wollte Arran gerade sagen, als ein scharfer Schmerz sie durchfuhr, der sich wie Feuer rasch über ihren ganzen Körper verbreitete; eine fürchterliche Hitzequal, die ihr aus jeder Pore den Schweiß ausbrechen ließ. Vor Schmerz und Überraschung schrie sie laut auf – was ging hier vor? Wollte man sie umbringen? Wer könnte ihren Tod wünschen?
    Und dann gelangte das Somec in ihr Gehirn und löschte alles Bewußtsein und jede Erinnerung aus. Auch die Erinnerung an den Schmerz, den sie gerade empfunden hatte. Und wenn sie wieder aufwachte, würde sie von der Qual, die Somec bedeutete, nichts mehr wissen. Es würde immer wieder eine Überraschung sein.
     
    *
     
    Triuff stellte die siebentausendachthundert Kopien des letzten Films fertig – die meisten davon gekürzte Fassungen, die Schlafstunden und Körperfunktionen, außer Essen und Sex nicht enthielten. Die wenigen übrigen waren ungekürzte Fassungen, die von den wahrhaft begeisterten Arran-Handully-Fans in kleinem Kreise siebzehn Tage lang betrachtet werden konnten. Es gab Fans (Verrückte, wie Triuff lang wußte), die sich tatsächlich private Kopien der ungekürzten Fassungen beschafften und sie sich während einer einzigen Wachperiode zweimal anschauten. Das mußten schon verdammt begeisterte Fans sein.
    Sobald die Kopien der Vertriebsgesellschaft übergeben waren (und die Vorauszahlung auf den Konten der Arran Handully Corporation eingegangen war), suchte auch Triuff den Schlafraum auf. Das war der Preis, den sie für ihre Tätigkeit als Managerin zahlen mußte – sie wachte einige Wochen vor dem Star auf und nahm einige Wochen später als der Star dann wieder Somec. Triuff würde Jahrhunderte vor Arran sterben. Aber Triuff betrachtete das mit stoischer Gelassenheit. Schließlich, daran erinnerte sie sich immer wieder, hätte sie Lehrerin sein können und hätte dann nie Somec genommen.
     
    *
     
    Arran wachte schweißgebadet auf. Wie jeder andere Schläfer führte sie das auf die Drogen für das Aufwachen zurück und hatte keine Ahnung, daß sie sich während des ganzen Schlafes in diesem unangenehmen Zustand befand. Ihr Gedächtnis war einwandfrei, denn es war ihr vor wenigen Augenblicken in den Kopf zurückgespielt worden. Und sie bemerkte sofort, daß etwas an ihrem rechten Schenkel befestigt war – das Aufzeichnungsgerät. Die Aufnahmen von ihr und dem Raum liefen schon. Ganz kurz kam in ihr ein Gefühl der Abwehr hoch, und sie bedauerte ihre Entscheidung, in dem Projekt mitzuarbeiten.
    Wie sollte sie nur volle drei Wochen lang ihre Rolle ertragen können?
    Doch für die Schauspieler, die bei diesen Darbietungen mitwirkten, galt eine unumstößliche Regel: »Das Spiel geht weiter.« Ganz gleich, was man tut, es wird aufgezeichnet, und es gab keine Möglichkeit, ein Band zu redigieren. Wenn irgend etwas – und sei es eine Kleinigkeit – mitten aus einer Handlung herausgenommen werden mußte, konnte man das Band genausogut wegwerfen. Die treuen Fans nahmen es nicht hin, daß in einem Band übergangslos von Szene zu Szene gesprungen wurde – sie waren dann jedesmal davon überzeugt, daß man ihnen etwas Saftiges vorenthielt.
    Und so versetzte sie sich, fast wie durch Reflexhandlung in die Rolle der tragisch schönen, süßen aber scharfzüngigen Arran Handully, in der alle Fans sie kannten und liebten und für deren Anblick sie bereit waren, viel Geld zu bezahlen. Sie seufzte, und schon dieser Seufzer war verführerisch. Sie erschauerte, als der kalte Luftzug über ihren schweißnassen Körper ging, und nahm das Zittern zum Anlaß, die Augen zu öffnen und scheu (verführerisch) in das gleißende Licht zu blinzeln.
    Und dann stand sie langsam auf und schaute sich um. Einer der allgegenwärtigen Bediensteten stand da und reichte ihr einen Morgenrock. Sie ließ sich von ihm in das Kleidungsstück helfen und bewegte dabei ihre Schultern gerade genug, daß ihr Busen sich um einiges hob (niemals wabbeln lassen, wußte sie, es gibt nichts Häßlicheres als wabbelndes Fleisch); und ging zu den Informationstafeln. Rasch überflog sie die interplanetarischen Nachrichten, um dann intensiv zu studieren, was sich

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