Capitol
ich sage dir, daß ich dich liebe! Nicht für die Zuschauer. Nicht für die Schau! Für dich – ich liebe dich! «
Und mit einem üblen Gefühl im Magen erkannte Arran, daß diese widerliche Triuff es irgendwie geschafft hatte, Ham zu diesem dreckigen Trick zu veranlassen. In diesem Geschäft gab es ein ungeschriebenes Gesetz – man darf nie, nie, aber auch nie die Tatsache erwähnen, daß man nur so tut als ob. Aus welchem Grunde auch immer. Und jetzt die letzte Herausforderung – dem Publikum gegenüber zuzugeben, daß man nur eine Schau abzieht, und ihm diese Schau dennoch glaubhaft zu machen.
»Nicht für die Schau!« kam ihr Echo, und sie bemühte sich krampfhaft, sich eine Antwort einfallen zu lassen.
»Ich sagte, nicht für die Schau!« Er stand auf und bewegte sich von ihr weg, drehte sich um und zeigte auf sie. »All diese dummen Affären, diese unechten Beziehungen. Hast du das nicht alles langsam satt?«
»Satt? So ist nun mal das Leben, und vom Leben bekomme ich nie genug.«
Aber Ham war fest entschlossen, unfair zu sein.
»Wenn dies Leben ist, dann ist Capitol ein Asteroid.« Das war ein sehr dummer Spruch, der ihm überhaupt nicht ähnlich sah. »Weißt du, was Leben ist, Arran? Leben besteht aus Jahrhunderten, während derer man eine Schau nach der anderen abzieht, wie ich es getan habe, und dabei habe ich jede Schauspielerin gebumst, die die Gebühren bezahlen konnte, ich habe sie alle gebumst, um genug Geld zu verdienen, daß ich auf Somec gehen und mir alle Annehmlichkeiten des Lebens leisten konnte. Und vor ein paar Jahren entdeckte ich plötzlich, daß all diese Annehmlichkeiten überhaupt nichts bedeuteten, und wollte ich wirklich ewig leben? Das Leben war so bedeutungslos, eigentlich nur eine Serie von hochbezahlten Nutten!«
Arran gelang es, sich einige Tränen der Wut rauszuquetschen. Die Schau geht weiter. »Nennst du mich eine Nutte?«
»Dich?« Ham war wie vor den Kopf geschlagen. Wieder mußte Arran zugeben, daß der Mann ein ausgezeichneter Schauspieler war, wenn sie ihn auch dafür verfluchte, daß er ihr so übel mitgespielt hatte. »Dich niemals, Arran, das darfst du nicht eine Minute lang denken.«
»Was soll ich denn denken, wenn du herkommst und mir erzählst, daß ich unecht bin!«
»Nein«, sagte er und saß wieder neben ihr auf dem Bett und legte ihr den Arm um die nackten Schultern. Sie schmiegte sich an ihn, wie sie es schon ein Dutzend Male vor Jahren getan hatte. Sie schaute auf in sein Gesicht und sah, daß seine Augen voll Tränen waren.
»Warum – warum weinst du?« fragte sie zögernd.
»Ich weine für uns beide«, sagte er.
»Warum?« fragte sie. »Weshalb müssen wir weinen?«
»Über alle unsere verlorenen Jahre.«
»Ich weiß nicht, wie es bei dir war, aber meine Jahre waren wirklich nicht gerade langweilig«, sagte sie lachend und hoffte, daß auch er lachen würde.
Er lachte nicht. »Wir hätten zueinander gepaßt. Nicht nur als ein Team von Schauspielern, sondern als Menschen. Damals, als wir anfingen, warst du nicht besonders gut – ich natürlich auch nicht. Ich habe mir die Aufzeichnungen angesehen. Wenn wir mit anderen Leuten zusammen waren, machten wir den Eindruck blutiger Anfänger. Trotzdem verkauften sich die Streifen damals gut, machten uns reich, gaben uns die Chance, unseren Beruf zu lernen. Weißt du warum?«
»Ich bin mit deiner Auffassung über die Vergangenheit nicht einverstanden«, sagte Arran kalt, und sie hätte gern gewußt, warum, zum Teufel, er seine Rolle nicht korrekt spielte. Was wollte er denn damit erreichen, daß er sie dauernd auf die alten Streifen hinwies?
»Wir konnten diese Streifen verkaufen, weil wir beide mitspielten, weil wir echt wirkten, wenn wir uns liebten, wenn wir stundenlang über nichts redeten. Jeder von uns hat doch die Gesellschaft des anderen wirklich genossen.«
»Ich wünschte, deine Gesellschaft wäre mir auch heute noch angenehm. Erst erzählst du mir, ich bin nicht echt, und dann sagst du auch noch, daß ich kein Talent habe.«
»Talent! Was für ein Witz«, sagte Ham. Sanft berührte er ihre Wange, so daß sie ihn anschauen mußte. »Natürlich hast du Talent, und ich auch. Wir haben auch Geld, wir sind berühmt, und wir haben alles, was man für Geld kaufen kann. Sogar Freunde. Aber Arran, sag mir, wie lange es her ist, daß du einen Mann wirklich liebtest?«
Arran dachte an ihre letzten Liebhaber zurück. Wollte sie Ham (in seiner Rolle) jetzt wirklich eifersüchtig machen? Nein.
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