Capitol
»Ich glaube, ich habe nie einen Mann wirklich geliebt.«
»Das stimmt nicht«, sagte Ham. »Es stimmt nicht, denn du hast mich wirklich geliebt, Arran, auch wenn es schon vor Jahrhunderten war.«
»Vielleicht«, sagte sie. »Aber was hat das mit heute zu tun?«
»Liebst du mich denn heute nicht mehr?« fragte Ham, und er sah so ehrlich besorgt aus, daß Arran sich versucht sah, ihre Rolle zu vergessen und vor Entzücken zu lachen und ihm wegen seiner ausgezeichneten Schauspielerei zu applaudieren. Aber der Schuft hatte ihr zu übel zugesetzt. Das wollte sie ihm heimzahlen.
»Dich heute noch lieben?« fragte sie. »Für mich bist du lediglich ein weiteres Paar geiler Keimdrüsen, mein Freund.« Das würde die Fans ganz schön schockieren und, wie Arran hoffte, Hams häßlichen kleinen Scherz versauen.
Aber Ham zog eisern seine Rolle durch. Mit gekränkter Miene trat er einen Schritt zurück. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich habe mich wohl geirrt.« Und zu Arrans Entsetzen zog er sich wieder an.
»Was machst du denn?« fragte sie.
»Ich gehe«, sagte er.
Er geht, dachte Arran voller Panik. Ausgerechnet jetzt? Ohne daß die Szene ihren Höhepunkt erreicht? Die ganze Vorarbeit, die Verstöße gegen jede Tradition, und dann kein Höhepunkt? Der Mann war ein Ungeheuer.
»Du kannst jetzt nicht gehen!«
»Ich habe mich geirrt. Es tut mir leid. Ich habe mich in Verlegenheit gebracht«, sagte er.
»Nein, nein, Ham, bitte geh nicht. Ich habe dich so lange nicht gesehen!«
»Du hast mich noch nie gesehen«, sagte er. »Sonst hättest du nie sagen können, was du eben gesagt hast.«
Jetzt läßt er mich dafür entgelten, daß ich ihm seinen üblen Witz ins Maul zurückgestoßen habe, dachte Arran. Ich könnte ihn umbringen! Immerhin, ein phantastischer Schauspieler. »Es tut mir leid, daß ich es gesagt habe«, sagte Arran und trug ihre Zerknirschung so dick auf, als hätte man sie hineingetaucht … »Verzeih mir. Ich habe es nicht so gemeint.«
»Ich soll nur bleiben, damit deine verdammte Szene nicht kaputtgeht.«
Verzweifelt gab Arran sich geschlagen. Warum tue ich das nur? Aber der Gedanke daran, daß, wenn auch sie aus der Rolle fiel, die ganze Schau im Eimer war, hielt sie aufrecht. Sie warf sich auf das Bett und schluchzte. »Gerade jetzt«, sagte sie, »verläßt du mich! Gerade jetzt, wo ich dich so sehr brauche.«
Schweigen. Sie blieb einfach liegen. Sollte er doch reagieren.
Aber er sagte nichts. Er ließ die Stille im Raum hängen. Sie hörte ihn sich nicht einmal bewegen.
Endlich sagte er etwas. »Ist das dein Ernst?«
»Hmm-hmm«, sagte sie schluchzend. Ein Klischee, aber dem Publikum immer wieder wirksam.
»Aber nicht als Schauspielerin bitte, Arran. Als du selbst. Liebst du mich? Brauchst du mich?«
Sie rollte sich halb auf die Seite, stützte sich auf einen Ellbogen und sagte mit tränenerstickter Stimme: »Ich brauche dich genauso dringend wie Somec, Ham. Warum bist du so lange weggeblieben?«
Er wirkte erleichtert. Langsam ging er zu ihr zurück. Und alles war wieder friedlich. Zwischen den verschiedenen Gängen des Abendessens liebten sie sich viermal, und zur Abwechslung durften die Bediensteten zuschauen. Das habe ich schon mal getan, erinnerte sich Arran, aber das lag schon etwa fünf Aufnahmen zurück, und die Bediensteten waren ohnehin nicht dieselben. Weil es unterbezahlte Schauspielschüler waren, nahmen sie die Sache natürlich zum Anlaß, sich selbst auf der Bühne zu amüsieren, und sie machten daraus eine Orgie, indem sie es fertigbrachten, im Lauf von nur anderthalb Stunden alle erdenklichen Sexualakte vorzuführen. Arran bemerkte das allerdings kaum. Sie gehörte zu den Narren, die glaubten, es käme den Zuschauern auf die Menge an. Wenn etwas Sex gut ist, dann ist viel davon besser, denken sie. Arran wußte es besser. Man muß sie hinhalten, man muß sie betteln lassen. Sie sollen auch Schönheit darin finden, nicht nur Sinnenkitzel und Lust. Deshalb war sie ein Star, und deshalb stellten die anderen ja auch die Komparsen in ihrer Schau dar.
In dieser Nacht schliefen Ham und Arran eng umarmt.
Und als Arran morgens aufwachte, merkte sie, daß Ham sie anstarrte, und in seinem Gesicht sah sie eine seltsame Mischung von Liebe und Schmerz. »Ham«, sagte sie leise und streichelte ihm die Wange. »Was möchtest du denn?«
Sein Blick wurde noch sehnsüchtiger. »Heirate mich«, sagte er zärtlich.
»Meinst du das ernst?« fragte sie in ihrer schönsten
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