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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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was sage ich da? Es ist ja nicht deine Schuld, daß die Männer so sind. Du bist ganz anders, du bist mein süßer kleiner Junge. Umarm deine Mutter – nicht so fest, um Gottes willen, du kleiner Satan, was machst du denn da? Geh auf dein Zimmer!«
    Er stolperte in der einsetzenden Dunkelheit, stürzte, und das scharfe Gras zerschnitt ihm das Handgelenk.
    »Warum schlägst du mich?« hörte er die braunhaarige Frau schreien, die eigentlich blond sein müßte. Aber er schlug sie wieder und wieder, und sie rannte aus der Wohnung, die Treppe hinunter und stolperte auf die Straße hinaus. Gerade weil sie stolperte fiel er über sie her, und dort, mitten auf der Straße, erstickte er ihren Schrei, indem er ihr genau zeigte, wer der Herr war, und er sandte sie in die Ewigkeit.
    Er spürte die Spitze eines Messers an der Brust.
    Er lag im Gras, schaute nach oben und sah einen kleinen, untersetzten Mann – nein, keinen Mann, einen Vaq – und nicht nur einen, sondern ein halbes Dutzend, alle bewaffnet, obwohl einige sich erst vom Boden erhoben und fast noch zu schlafen schienen. In seiner Benommenheit war er direkt in ein Lager der Vaqs hineingestolpert.
    Das ist besser, dachte er, als die Saugegel und die gefräßigen kleinen Tiere, und statt seines Rückgrats spürte er nur Schwärze und Kälte. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und wartete darauf, daß der andere mit dem Messer zustach.
    Aber er stieß es ihm nicht ins Herz, und Link wurde ungeduldig. War nicht er der Erbe des Mannes, der den Vaqs den größten Schaden zugefügt hatte, dessen große Traktoren die Lebensgrundlage von einem Dutzend Stämmen weggefegt hatte, dessen Jäger Vaqs getötet hatten, wo immer sie sich auf dem als sein Besitz ausgewiesenen Territorium blicken ließen? Ich besitze die Hälfte dieser Welt, soweit es sich lohnt, sie zu besitzen. Tötet mich und befreit euch.
    Einer der Vaqs zischte ungeduldig. Gib dich dem Messer, schien er nach Links Meinung zu sagen. Und auch Link zischte jetzt ungeduldig. Stoß doch zu. Schnell.
    Überrascht darüber, daß der andere sein eigenes Todesurteil wiederholte, trat der Vaq, der Link das Messer an die Brust hielt, einen Schritt zurück, aber das Messer war immer noch erhoben und die Klinge zeigte auf Linkeree. Der Vaq stammelte etwas mit vielen rollenden R- und zischenden S-Lauten – keine menschliche Sprache, wie sie die Kinder in den Regierungsschulen lernten, obwohl es, wie Link wußte, Dutzende von anthropologischen Berichten gab, die ausführten, daß es sich bei der Vaq-Sprache lediglich um korrumpiertes Spanisch handelte und daß die Vaqs offenbar Nachkommen der Besatzung des Kolonialschiffs Argentinien waren, das man vor Tausenden von Jahren während der ersten Dekade interstellarer Kolonisation für verloren gehalten hatte. Damals hatte der Mensch zum erstenmal den kleinen Planeten verlassen, den er so gründlich ruiniert hatte. Menschlich. Bestimmt waren sie menschlich, wie grausam auch die Evolution auf Pampas Häßlichkeit und Ignoranz und Bösartigkeit und Unmenschlichkeit hatte hervortreten lassen.
    Aber darin haben Wilde kein Monopol.
    Und Linkeree streckte den Arm aus, ergriff vorsichtig die Hand, die die Klinge hielt, und zog sie an sich, bis die Spitze wieder seinen Bauch berührte. Und dann zischte er wieder ungeduldig.
    Die Augen des Vaq weiteten sich, und er wandte sich zu seinen Begleitern um, die ebenso erstaunt waren. Sie plapperten untereinander; einige wichen vor Link zurück, sie hatten anscheinend Angst. Das verstand Link nicht. Er drückte sich die Klinge tiefer ins Fleisch; ein wenig Blut quoll hervor und lief die Klinge entlang.
    Mit einer heftigen Bewegung zog der Vaq das Messer zurück, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Er kniete nieder und nahm Linkerees Hand.
    Link versuchte, ihm seine Hand zu entziehen. Der Vaq folgte ihm nur, ohne auch nur im geringsten zu widerstreben. Auch die anderen versammelten sich um ihn. Er verstand ihre Sprache nicht, wohl aber ihre Gesten. Plötzlich begriff er, daß sie ihn anbeteten.
    Behutsame Hände führten ihn in die Mitte des Lagers. Ringsherum standen kleine Becken mit brennendem Torf, die dauernd aufzischten, wenn die wärmesuchenden Saugegel die Vaqs verließen, um gemeinsam in den Flammen zu sterben.
    Sie sangen ihm klagende Melodien, die vom Heulen des Windes nur noch vertieft und verstärkt wurden. Sie zogen ihn aus und berührten ihn überall vorsichtig, um ihn genau zu erforschen. Dann kleideten sie ihn

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