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Capitol

Capitol

Titel: Capitol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Vorzeichen gesehen hatten. Was wäre gewesen, wenn die Lage der Knochen Unheil bedeutet hätte?
    Die Vaqs entschlossen sich, ihn zu belohnen. Sie hoben den Kopf auf und boten ihn Link an.
    Er lehnte ab.
    Sie sahen ihn erstaunt an. Er sie auch. Erwarteten sie, daß er den Kopf aß? Es war grauenhaft – der Halsstumpf hatte überhaupt nicht geblutet. Er sah aus wie ein Exemplar aus einem Labor und erinnerte ihn an –
    Nein, er konnte nicht.
    Aber die Vaqs blieben ganz ruhig. Sie schienen Verständnis zu haben – sie nahmen einfach die Knochen und vergruben sie einzeln in flachen Gruben, die sie aus dem reichen Mutterboden unter dem Gras herauskratzten. Dann nahmen sie die Haut und legten sie Link über die nackten Schultern. Es kam ihm so vor, als wollten sie damit andeuten, daß er das Kind sei. Die Gesten des Anführers bestätigten, daß sie das glaubten – immer wieder zeigte er vom Kopf und der Haut auf Linkeree, verharrte dann stumm und wartete auf eine Antwort.
    Linkeree wußte nicht, wie er reagieren sollte. Wenn er leugnete, daß er der Geist oder der Nachfolger des Kindes sei, würden sie dann ihr Opferritual mit seiner Tötung abschließen? Wie immer er sich entschied, es mochte seinen Tod bedeuten, und er empfand an diesem Morgen nicht das geringste Verlangen nach Selbstmord.
    Und dann, als er in das tote Gesicht des Kindes schaute und sich daran erinnerte, daß es am letzten Abend noch gelebt und auf seine Berührungen reagiert hatte, wußte er, daß in ihrem Glauben mehr Wahrheit lag, als sie selbst erkannten. Ja, er war das Kind, zerfressen und zerschnitten und gegessen und fortgeworfen, um dann in hundert winzigen Gräbern begraben zu werden. Ja, er war tot. Und er bejahte sein Schicksal und nickte zustimmend.
    Die Vaqs nickten ebenfalls alle, traten vor ihn hin und küßten ihn. Er war nicht sicher, ob sie sich mit dem Kuß verabschieden wollten, oder ob er ein Vorspiel zu seinem Tod war. Aber dann küßte einer nach dem anderen den Kopf des Kindes, und als er sah, wie sie die Lippen sanft auf die Stirn, die Wange oder den Mund des Kindes legten, wurde er von Selbstmitleid und Kummer überwältigt. Er weinte.
    Und als sie seine Tränen sahen, fürchteten sich die Vaqs, plapperten untereinander, verschwanden schweigend im hohen Gras und ließen Link mit den Überresten des Kindes allein.
     
    *
     
    Sobald Dr. Hort am Morgen aufwachte, suchte er Mrs. Danol auf. Sie saß mit auf dem Schoß gefalteten Händen in einem der leeren Privaträume. Sie schaute auf, sah ihn durch das Fenster, nickte, und er trat ein.
    »Guten Morgen«, sagte er.
    »Ist es wirklich ein guter Morgen?« antwortete sie. »Mein Sohn ist inzwischen tot, Dr. Hort.«
    »Vielleicht auch nicht. Er wäre nicht der erste, der eine Nacht im Gras überlebt, Mrs. Danol.«
    Sie schüttelte nur den Kopf.
    »Mir tut der Ärger von gestern abend leid«, sagte er. »Ich war übermüdet.«
    »Und außerdem hatten Sie recht«, antwortete sie. »Ob mit oder ohne Beruhigungsmittel, ich bin heute morgen um vier Uhr aufgewacht. Immer wieder habe ich über alles nachgedacht. Ich bin Gift für meinen Sohn. Schon dadurch, daß ich seine Mutter bin, habe ich meinen Sohn vergiftet. Oh, könnte ich doch an seiner Stelle draußen auf der Ebene sein, um für ihn zu sterben.«
    »Und was, zum Teufel, würde das nützen?«
    Statt zu antworten fing sie an zu weinen. Er wartete. Sie hörte schon bald auf zu schluchzen.
    »Verzeihen Sie«, sagte sie. »Ich habe den ganzen Morgen immer wieder weinen müssen.« Dann sah sie Hort an, und es war ein flehender Blick. »Helfen Sie mir.«
    Er lächelte – freundlich, nicht triumphierend – und sagte: »Ich will es versuchen. Warum erzählen Sie mir nicht einfach, worüber Sie nachgedacht haben?«
    Sie lachte bitter. »In diesem Rattennest müssen wir nicht unbedingt herumstochern. Ich habe hauptsächlich an meinen Mann gedacht.«
    »Den Sie nicht mögen.«
    »Den ich verabscheue. Er hat mich geheiratet, weil ich sonst nicht mit ihm geschlafen hätte. Er schlief mit mir, bis ich schwanger war; dann machte er sich davon. Als sich herausstellte, daß Linkeree ein Junge war, freute er sich wie verrückt und änderte sein Testament, um alles dem Jungen und nichts mir zu hinterlassen, Und dann, nachdem er mit allen Mädchen auf diesem Planeten und der Hälfte aller Jungen geschlafen hatte, wurde er von einem Traktor überfahren, und ich muß sagen, daß ich mich ein wenig gefreut habe.«
    »Auf diesem Planeten hatte man von

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