Cappuccino fatale
milanese, speziell für dich.« Giorgio nimmt ein
Tütchen mit Safranfäden von einem Bord über dem Herd und streut das teure Zeug großzügig
in den Topf.
»Was ist das?«
»Risotto? Das ist ein norditalienisches Reisgericht mit Parmesan und
Safran. Und mit Butter natürlich. Olivenöl kommt traditionell aus Süditalien,
wo die Leute sich früher keine Butter leisten konnten. Aber hier in Mailand
kocht man traditionell mit Butter«, fügt er selbstzufrieden hinzu. Dann rührt
er eine ganze Weile schweigend weiter.
»So ein Risotto ist wie ein Geliebter, du musst dich stets darum
kümmern.« Giorgio dreht sich wieder zu mir um und wirft mir einen vielsagenden
Blick zu. »Er will immer umsorgt werden, sonst brennt er dir an und das war’s
dann. Also immer schön rühren, rühren, rühren. Aber das kannst du ja bestimmt«,
prustet er los.
Vor Lachen muss er den Kochlöffel beiseitelegen, um sich über seinen
eigenen Witz den Bauch halten zu können. Sein Humor ist ansteckend. Ich zwinge
mich jedoch, nicht darauf zu reagieren, um seinen frivolen Vermutungen über
mich und meine eventuellen Liebhaber jeglichen Boden zu entziehen. Stattdessen
nehme ich Teller und Besteck aus dem Schrank und fange an, den Tisch zu decken.
»Leg bitte ein drittes Gedeck auf, es kommt noch Besuch«, befiehlt
mir mein kochender Vermieter.
»Wieso?«, frage ich naiv.
»Eine Freundin kommt gleich zum Essen vorbei«, erklärt Giorgio.
»Eine Freundin? Störe ich euch denn dann nicht in eurer
Zweisamkeit?«
»Nö«, entgegnet er gedehnt. »Sie ist eine Bekannte aus dem Tanzclub
und fragt mich immer, ob wir zusammen essen gehen. Gestern bin ich um eine
Verabredung mit ihr nicht mehr herumgekommen. Daher habe ich sie eingeladen.«
»Damit du mit ihr um deinen Küchentisch samt deiner deutschen
Untermieterin sitzen und Reis essen kannst?« Ich bin sicher, selbst eine
italienische Tanzpartnerin in den besten Jahren erwartet da etwas mehr.
»Risotto, nicht Reis. Risotto alla milanese!«, bellt Giorgio
beleidigt. »Und ja: Ich will nicht so viel Tamtam darum machen, sonst denkt sie
noch …«
»Ah, ich verstehe. Du willst nicht ihr Risotto werden.«
Offensichtlich unterscheidet Giorgio zwischen Frauen, die in seiner Küche essen
müssen, und jenen, die es bis ins Esszimmer schaffen.
Was hat es wohl zu bedeuten, wenn man als Frau bis in die
Schmuckwerkstatt gelangt?
Zehn Minuten später klingelt es an der Tür. Ich höre, wie
Giorgio im Flur eine Frau begrüßt, die üblichen Floskeln austauscht und dann
mit ihr zu mir in die Küche kommt, wo ich gerade dazu abgestellt bin, Parmesan
in eine Schüssel zu reiben. Mein Vermieter stellt uns einander vor. Unsere
Besucherin heißt Elvira und ist eine dieser typischen eleganten Italienerinnen
Anfang fünfzig, die morgens schon mit akkurat frisiertem Bob aus dem Bett zu
steigen scheinen, der selbstverständlich bis abends perfekt hält. Elvira blickt
sich sichtlich irritiert in unserer einfachen Küche mit dem quadratischen
Resopaltisch und der darüber baumelnden Energiesparlampe um.
»Aaah«, sagt sie tapfer, »wir essen in der Küche. Wie heimelig.« Sie
späht auf den Tisch und ich kann sehen, wie ihr Hirn mühsam bis drei zu zählen
beginnt.
»Du isst mit uns?«, wendet sie sich mir zu und zieht fast
unmerklich, dafür aber umso subtiler die Stirn in Falten.
Ich nicke eingeschüchtert. Das Ganze ist mir genauso unangenehm, wie
ich es erwartet habe. Hätte mich in Renatos Atelier nicht einfach der berühmte
Erdboden verschlucken können? Das hätte mir heute gleich zwei peinliche
Situationen erspart.
»Jaha«, versucht Giorgio die bedrückte Stille der Frauen im Raum
aufzulockern. »Ich wollte dir gerne meine neue Mitbewohnerin vorstellen. Und
die Arme muss ja auch was essen«, fügt er fast entschuldigend hinzu und reibt
geschäftig die Hände aneinander.
»Giorgio«, Elvira stellt ihr Handtäschchen auf dem Tisch ab, setzt
einen strengen Blick auf und stemmt beide Hände in die Hüften, »was soll das
hier?«
Mir wird heiß und kalt. Schwer konzentriert reibe ich weiter meinen
Käse. Wie konnte ich bloß hier hineingeraten?
»Eh …«
»Giorgio, ich brauche dir sicher nicht erneut zu sagen, dass wir
dringend reden müssen. Und du weißt ganz genau, dass wir das heute Abend tun
wollten.«
»Von meiner Seite aus gibt es gar nichts zu besprechen.«
Giorgio schaut unschuldig mit seinen dunklen Knopfaugen in die
Runde. Er hält uns fragend die Handflächen entgegen, wie jemand, der
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