Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Corda
Vom Netzwerk:
lang Heimweh, können aber mangels eines
funktionierenden Arbeitsmarktes im Stiefelsüden praktisch nie zurück. Daher freut
sie sich über meine Bitte, Stimmungsfotos von ihrer Heimat herauszusuchen,
versteht ohne viele Worte, was ich für meine Arbeit brauche, und macht sich
sofort selig an die Arbeit.
    Am Abend klicke ich zufrieden durch die rund zwanzig Charts meiner
Napolone-Strategie. Nun fehlt nur noch ein kluger Schlusssatz, etwas, das allen
im Gedächtnis bleibt, die Brand Essence, wie es in
der Werbesprache so schön heißt . Aber mir fällt
nichts Brauchbares mehr ein, meine Batterien sind leer. Ich tippe »Was hier
steht, ist Blindtext« auf die letzte Seite und beschließe, mir darüber bei
einem Glas Wein zu Hause Gedanken zu machen. Anschließend ordne ich noch ein
paar Unterlagen auf meinem Schreibtisch, schreibe Maria eine Mail mit der
erneuten Bitte um die Budgetkalkulation und verlasse dann fast pünktlich zum
Feierabend geradezu beschwingt die Agentur.
    Anstelle des kurzen Fußwegs von der Metrostation bis zur
Haustür mache ich heute einen kleinen Umweg um den Block, um an der – laut
Giorgio – besten Pasticceria der Stadt ein mit Ricottacreme gefülltes
sizilianisches Hörnchen zu ergattern. Das habe ich mir heute verdient. Kauend
und mit puderzuckerverschmiertem Mund bummele ich die Gasse an den kleinen
Geschäften in der Nachbarschaft entlang und bewundere die überwältigende
Auslage eines Lädchens für Bonbonnieren und kitschige Schächtelchen, die ein
jeder Italiener seinen Gästen bei Familienfeiern aller Art mit nach Hause gibt.
    An der Straßenecke komme ich an Lucas Bar – oder vielmehr der seiner mamma – vorbei. Kurzentschlossen trete ich ein. Im
grellen Licht der Energiespar-Leuchtstoffröhre und der noch grelleren Musik
italienischen San-Remo-Geplärres steht Luca hinter der Bar und sortiert Tassen
und Gläser in ein Spülmaschinengitter. In der Bar sind noch drei Gäste und ein
Hund anwesend. An der Theke steht eine aufgetakelte Mittsechzigerin im lila
Seidenkleid mit einem kleinen weißen Pudel, der bettelnd vor ihr auf dem Boden
hockt. Pudel und Frauchen tragen die gleiche aufgebauschte Frisur und haben
beide eine ähnlich spitze Nase.
    Daneben lümmeln zwei Männer im Anzug, die offensichtlich bei einem
Bier den Arbeitstag Revue passieren lassen. Lucas Mutter ist nicht zu sehen,
der Platz hinter der Kasse ist nicht besetzt.
    Luca winkt mir zu, als er mich erkennt.
    »Ah, da ist ja Giorgios deutsche Patientin.« Er reicht mir über den
Tresen die Hand. »Wie geht´s?«
    Ich bestelle einen Prosecco und erzähle ein bisschen von meinem Tag.
    »Wie? Kaffeewerbung machst du?« Er runzelt missbilligend die Brauen.
»Wozu denn das? Trinken wir in Italien denn nicht schon genug davon?«
    »Doch, aber nun sollt ihr alle einen ganz bestimmten Kaffee trinken,
der aus Neapel kommt. Dafür werde ich gerade bezahlt.«
    »Aus Neapel.« Luca atmet tief ein und aus, als ginge es darum, einem
frechen Kind die Leviten zu lesen. »Aus Neapel kommt nicht allzu viel Gutes für
uns Italiener. Weißt du«, fährt er fort, »hier oben im Norden erarbeiten wir
das Geld, das Rom dann für den Süden ausgibt. Wir Mailänder sind daher auf
Neapel und Co. nicht sonderlich gut zu sprechen.«
    »Weil ihr neidisch auf uns seid!«, mischt sich plötzlich die Dame
mit der Pudelfrisur in unser Gespräch ein. »Weil ihr schnöden Mailänder
neidisch seid auf unser gutes Wetter, das Meer und das leckere Essen.«
    »Sie kommen aus Neapel?«, frage ich belustigt.
    Luca verzieht erschrocken das Gesicht. Was für ein Fauxpas. Wenn mamma wüsste, dass er wahrscheinlich gerade eine
Stammkundin für immer verprellt hat …
    »Ja, ich bin Neapolitanerin und ich bin stolz darauf«, brüstet sich
die Dame, von Lucas Bemerkung offenbar völlig unbeeindruckt. »Sehen Sie«, sie
beugt sich zu mir herüber und fährt in einem etwas gedämpfteren Ton fort, »wir
Neapolitaner tanzen auf dem Vulkan. Wir leben tagein, tagaus mit der Gefahr,
dass uns der Vesuv um die Ohren fliegt wie damals dem Volk von Pompeji. Wir
haben es im Blut, das Risiko zu nehmen, wie es kommt. Und das Ergebnis: Wir
leben im Heute. Wir sind nicht so verplant wie die Norditaliener, die ihr Leben
lang an ihre Steuern, Versicherungen und Hypotheken denken. Wir Neapolitaner
regeln alles in der Gegenwart. Alles.« Sie nippt an ihrem Weißwein. » Capito? Verstanden?«, hakt sie nach und senkt drohend den
Kopf.
    » Sì sì, capito «, sage ich schnell

Weitere Kostenlose Bücher