Cappuccino fatale
Dank.«
»Das ist Eleonora, eine meiner Patientinnen«, informiert mich
Giorgio. »Eleonora, darf ich dir meine neue Mitbewohnerin vorstellen? Nina aus
Deutschland.«
»Ah, piacere «, sie streckt die Hand über
den Tresen. »Na, Giorgio, da hast du dir aber eine ausgesucht, das arme Mädchen.«
Sie lacht und wendet sich mir zu. »Hüte dich ja vor Giorgio. Er ist ein ganz
Schlimmer.«
»Hör nicht auf meine Mutter«, ertönt eine Stimme und aus dem
Hinterzimmer kommt ein junger Mann von Mitte dreißig mit halblangen, gewellten
Haaren, einem Dreitagebart und einer schwarzen Sonnenbrille auf dem Kopf
gewankt. Vor sich balanciert er zwei Stiegen mit H-Milch, die er hinter dem Tresen
gegenüber der Kasse verstaut. »Giorgio ist der größte Gentleman, den ich kenne.
Ein echter cavaliere .«
»Das ist Luca«, stellt Giorgio mich ihm vor. »In Lucas Bar bekommst
du den besten caffè , den es gibt.«
»In Lucas Bar !«, höhnt Luca ironisch, »In mammas Bar wohl eher. Das wäre zu schön, wenn ich hier tun
und lassen könnte, was ich will. Aber hier kommandiert noch immer la padrona, die Chefin«, fügt er
mit einer Mischung aus Humor und Resignation hinzu.
» Si, tesoro mio, ja mein Schatz, ich hab
dich auch lieb«, ertönt die prompte Antwort von der Kasse.
Luca grinst. »Was darf ich euch anbieten?«
» Due sprizz «, ordert Giorgio.
Während Luca zwei hohe Gläser mit Eis, Campari und Prosecco füllt,
mustert er mich über den Tresen hinweg. » Allora, was
führt dich nach Mailand?«, fragt er. »Doch nicht etwa die Sehnsucht nach einem
veralteten Masseur, der mit frustrierten Frauen in den Wechseljahren Foxtrott
tanzen geht?«
»Danke, Luca, du bist zu nett.« Giorgio greift in ein Schälchen mit
blassen Chips und schiebt sich eine Handvoll davon auf einmal in den Mund.
»So gut kenne ich Giorgio noch nicht«, sage ich und muss kichern.
»Ich bin wegen der Arbeit hier.«
»Klar, was soll man in Mailand auch anderes machen als arbeiten?«,
motzt Luca. »Bei dem Wetter und dem Smog. Wenn man wirklich leben will, gibt es bestimmt bessere Ecken als Mailand.«
»Armer Kerl«, schieße ich amüsiert zurück, »du musst also jeden Tag
in einer Stadt, die du nicht magst, in der Bar deiner Mutter wie Prinz Charles
darauf warten, endlich das Zepter übernehmen zu dürfen?«
» Brava, hai capito al volo . Sehr gut, du
hast die Lage hier gleich erfasst.« Er wirft einen triumphierenden Blick in Richtung
Kasse, während er zwei Gläser sprizz vor Giorgio und
mir abstellt.
An der Kasse zählt la padrona indessen
Geldscheine, rollt lakonisch mit den Augen und hat offensichtlich beschlossen,
so zu tun, als habe sie nichts gehört.
»Prost, Nina. Auf dich und deine Zeit in Italien. Herzlich
willkommen.« Giorgio erhebt sein Glas.
»Das wünsche ich dir auch.« Luca, der beide Unterarme auf dem Tresen
abgelegt hat, stützt den Kopf auf. »Ich freue mich, wenn du uns nun öfter
besuchen kommst«, sagt er und zwinkert mir verschwörerisch zu.
7.
Sonntagmorgen klingelt mein Handy. Renato will wissen, ob
ich gut »gelandet« sei, wie er es nennt. Wir verabreden uns für den
Spätnachmittag auf einen Tee in einem Café in der Nähe der Piazza Duomo. Das
sei günstig für ihn, meint Renato, weil das auf dem Rückweg von seiner
sonntäglichen Yogameditation zu ihm nach Hause liege. Ich überhöre die
Yogameditation und sage zu.
Es wird langsam dämmrig, als ich kurz vor fünf aus dem
U-Bahntunnel auf den Domplatz trete und in Richtung Porta Ticinese zu unserem
Treffpunkt spaziere.
Im Café angekommen, suche ich mir einen Platz an der vollverglasten
Fensterfront und bestelle mir einen Darjeeling. Ich sehe Renato schon von
Weitem, ganz in Weiß gekleidet und mit einer roten Yogamatte unterm Arm, die
Straße entlangschweben. Er betritt das Café und freut sich sichtlich, mich zu
sehen.
» Ciao bella, come stai ?« Er kommt auf mich
zu, beugt sich zu mir herunter und küsst mich.
Ich erwidere seinen Kuss und merke, wie ich rot werde. Das Herz
klopft mir bis zum Hals. Ich weiß nicht so recht, wo wir stehen. Sind wir jetzt zusammen ? Küssen wir uns nun ganz selbstverständlich
und gehen Hand in Hand durch die Straßen? Ich bin verwirrt. Vor allem weil ich
gar nicht so recht weiß, was ich eigentlich will.
»Wie war’s beim Yoga?«, versuche ich daher nonchalant ein
unverfängliches Gespräch zu eröffnen.
»Sehr meditativ. Da solltest du auch mal hingehen, das wäre sicher
was für dich.« Renato übersieht meinen
Weitere Kostenlose Bücher