Cappuccino fatale
weil sie alles alleine machen musste, und bootet mich
nun aus.« Mist! Ich darf mich hier in Mailand auf keinen Fall abservieren
lassen. Dafür haben mich meine Hamburger Chefs nicht hergeschickt. Ich lehne
mich in meinem Stuhl zurück und grübele über meine Lage nach, in die ich mich
selbst hineinmanövriert habe.
Da kommt Simona missgelaunt zur Tür hereingewackelt, wirft ihre
Tasche quer über den Schreibtisch und schaut mich grimmig an. Ich schaue grimmig
zurück. Montagmorgen eben.
»Caffè?«, fragt sie nur.
»Gute Idee«, brumme ich zurück und werfe meinen leeren
Cappuccinobecher in den Müll. Ich brauche gleich noch einen nach diesem Schock
am frühen Morgen.
Wie Pat und Patachon marschieren wir durch die Lobby, durch die ich
erst vor zehn Minuten gekommen bin.
»Nina«, ruft mir die Empfangsdame Lisa nach, »Lidia hat gerade
angerufen. Sie ist krank und kann heute nicht kommen.«
»Was hat sie denn?«, will ich wissen.
»Das hat sie nicht gesagt.« Lisa zuckt entschuldigend die Schultern.
»Wollte sie nicht am Wochenende reinkommen?«, fragt mich Simona,
während wir über die Treppenstufen vor dem Gebäude in Richtung Bar laufen.
»Ja, keine Ahnung, ob sie was gemacht hat. Viel wichtiger ist, dass
wir beide heute gemeinsam weiterarbeiten wollten«, erwidere ich aufgeregt.
»Wahrscheinlich hat sie doch der Mut verlassen und nun verkriecht sie sich
lieber zu Hause.«
»Na, na, na«, beruhigt mich Simona und tätschelt mir den Arm. Mit
Leuten, die schlechter Laune sind, kann sie sonderbarerweise gut umgehen.
»Vielleicht ist sie ja wirklich krank.«
Das könnte durchaus sein. Aber was nun? Schon morgen wollen Maria
und Stefano den Zwischenstand sehen. Die Präsentation vor dem Kunden ist
nächsten Montag, das heißt, wir müssen diese Woche fertig werden und Lidia ist
nicht dabei? Das versprechen anstrengende Tage für mich zu werden.
Ich werfe Simona einen besorgten Blick zu.
In der Bar lehnt Kollege Stefano am Tresen und tut so, als
lese er in der Il Sole 24ore . Ich weiß bereits, dass
er sich sonst eigentlich nur für Sportjournale interessiert, auf der Straße
jedoch vorzugsweise eine Finanzzeitung lässig unter dem Arm trägt. Er mustert
uns ungleiches Paar grinsend.
» Buon giorno , die Damen.« Er faltet
langsam die Zeitung zusammen und steckt sie mit dem Titel nach oben in seine Jackentasche.
» E allora? Was habt ihr geschafft in den letzten
Tagen?«
»Lidia ist krank«, weiche ich aus, »daher muss ich sehen, wie ich
den Job alleine stemmen kann.«
»Ah, okay«, Stefano gibt sich kumpelhaft, »wenn ich dir helfen kann,
gib mir einfach Bescheid.«
Ja genau, denke ich verärgert. Um mir dann von ihm anhören zu
müssen, dass Ganze sei gefälligst meine Aufgabe.
»Gerne, danke«, gebe ich hingegen artig zurück, während Simona
hinter Stefanos Rücken eine Fratze schneidet.
»Ich begebe mich dann mal in die Höhle des Löwen«, seufzt Stefano
aufgesetzt und legt ein paar Euro auf den Tresen. Wir geben uns mitleidig.
»Und«, fügt er hinzu, »euer Kaffee geht auf mich.«
Später im Büro breite ich alle Unterlagen vor mir aus, die
Lidia und ich bisher erarbeitet haben. Letztlich muss ich nichts weiter tun,
als daraus eine Präsentation für den Termin mit meinen Kollegen morgen zu
basteln. Und da Menschen bekanntlich nicht gerne lesen, beschließe ich, mit
vielen Bildern, Anglizismen und leicht verständlichen Überschriften zu
arbeiten.
Voller Elan stürze ich mich in die Arbeit und der Tag vergeht wie im
Flug. Ich arbeite hochkonzentriert, stelle die Konkurrenzmarken im Markt vor und
skizziere, welche von mir erdachte Lücke Napolone füllen könnte. Zwar recht
deutsch gedacht, aber trotzdem ganz plausibel, wie ich finde, fokussiere ich
als Zielgruppe die jungen, temperamentvollen Italiener, die sich mit ihrer
Espressowahl einen Hauch Süditalien, Sonne und Lebensfreude in ihre Kaffeetasse
holen wollen. Ich versuche gar nicht erst, Napolone neben die anderen
Premiumkaffeemarken zu pressen, sondern positioniere ihn als ehrlichen,
modernen, süditalienischen Kaffee im mittleren bis unteren Preissegment.
Danach bitte ich meine Kollegin Rossella aus der Grafikabteilung,
mir ein paar Fotos herauszusuchen, auf denen Menschen unserer Zielgruppe zu
sehen sind, um das Ganze auch bildlich darstellen zu können.
Rossella ist eine von diesen typischen jungen Süditalienern, die nur
der Arbeit wegen nach Mailand gekommen sind. In dieser unwirtlichen
Karrierestadt haben sie dann ihr Leben
Weitere Kostenlose Bücher