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Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Corda
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und
überlege. So prägnant hat das Phänomen Neapel bisher noch niemand zusammengefasst.
    Wir beide hängen ein wenig unseren Gedanken nach. Nur Lucas
Geklapper mit dem Geschirr sowie das leise Gemurmel der beiden Geschäftsmänner
hinter uns erfüllen den Raum.
    »Wie würden Sie denn«, fange ich langsam wieder an, »das typische
Lebensgefühl Neapels beschreiben?«
    » Eh be, das typische Lebensgefühl Neapels?
Puh …« Die Pudeldame bläst Luft durch beide Wangen und verzieht nachdenklich
das Gesicht. »Wie sind wir?«, fragt sie sich laut. »Hm, allora, wir sind stürmisch, spontan. Leidenschaftlich … Wir machen das Beste aus jeder
Situation und scheren uns nicht um das, was morgen kommt. Und wir sind geheimnisvoll.«
Sie senkt den Kopf und überprüft offensichtlich im Stillen, ob sie nichts
vergessen hat. » Sì , ecco! So sind wir. Genau so.«
    »Signora«, sage ich dankbar und sehe mich ihre Worte bereits in
meine Präsentation eintippen, »darf ich Sie auf einen zweiten Weißwein
einladen?«
    »Somit führen all diese Erkenntnisse und Bilder, die wir
hier gesehen haben, zu nur einer möglichen Brand Essence …«,
beende ich am folgenden Morgen mit wichtiger Miene meinen Vortrag vor Maria und
Stefano und klicke auf die nächste Folie meiner Präsentation.
    »Napolone – das ist ein leidenschaftliches, spontanes und
geheimnisvolles Lebensgefühl. Mit Napolone machst du das Beste aus dem Moment.«
    Ich klicke auf die letzte Folie, auf der »Grazie« steht, und lasse mich betont langsam auf den Drehstuhl am Kopfende des
Konferenztisches nieder. Pokerface. Wenn die beiden jetzt die kleinste
Unsicherheit bei mir bemerken, werden sie sich auf mich stürzen. Da darf man
sich nichts vormachen: Das ist im Job genau wie im Tierreich.
    »Hmm.« Stefano lehnt sich in seinem Sessel zurück und klopft alle
zehn Fingerkuppen gegeneinander. Er zieht die Stirn in Falten und denkt nach.
    Maria stützt beide Unterarme auf die Tischplatte und lehnt sich vor,
als gäbe es an der Wand, an die der Beamer das schlichte Wort » Grazie « reflektiert, noch weitere strategische Aufschlüsse
zu sehen.
    »Ich find’s gut«, sagt Stefano dann. »Gut recherchiert, plausibel,
verständlich, realistisch. Genau das, was der Kunde will. Prima, Nina«, lobt er
mich.
    Vor Erleichterung muss ich mich beherrschen, um nicht aufzujuchzen.
    Maria schaut Stefano kritisch an. »Ja«, meldet sie sich dann zu
Wort, »im Großen und Ganzen kann ich auch damit leben.«
    Sie kann damit leben.
    Das ist ja schön.
    »An einigen Stellen hätte ich mir die Ausführungen zwar etwas
fundierter gewünscht«, fährt Maria unterdessen fort, »aber für den ersten Wurf …«
    Sie diktiert mir ungerührt ein paar Änderungswünsche von der
Relevanz eines in China umfallenden Sackes Reis und schaut dann ungeduldig auf
ihre Armbanduhr. Da sie vor ihrem Business Lunch noch einen Friseurtermin hat,
besprechen wir eilig einige weitere Details und die Form, wie wir die Strategie
dem Kunden vorstellen wollen. Da Lidia weiterhin krank zu Hause ist, werden
Stefano und ich kommende Woche nach Neapel fahren, um dem Kunden zu erklären,
wie wir seinen Kaffee zum Renner machen wollen.
    Maria erhebt sich. »Ach ja«, sagt sie dann und zieht ein Blatt
Papier aus ihrer Mappe. »Nina, hier ist die Kalkulation, die du haben
wolltest.« Gönnerhaft wirft sie mir den Zettel zu wie einem Obdachlosen einen
Groschen.
    Ich überfliege eine eng beschriebene Tabelle mit zig Zahlen, Zeilen
und Zellen. Kaum verständlich für mich, vor allem nicht in dieser Schriftgröße,
aber das schaue ich mir ein andermal in Ruhe an. Artig bedanke ich mich.
    Dann rauscht Maria aus dem Raum. Stefano folgt ihr auf dem Fuße. Ich
packe meine Sachen zusammen und notiere mir die nächsten To-dos. Im Großen und
Ganzen bin ich hochzufrieden: Mein erster Kundentermin in Italien steht fest,
auf den ich mich richtig freue. Was für ein Tag!
    Der Rest der Woche vergeht wie im Flug. Ich feile hier und
da an meiner eigentlich fertigen Präsentation, drucke und ringele Handouts und
beklebe zusammen mit Rossella ein paar Pappen mit ihren Mood-Fotos. Mir ist es
wichtig, beim Kunden mit einem großen Koffer aufzuschlagen und nicht nur mit
einem schnöden USB -Stick in der Hosentasche. Das
macht mehr Eindruck.
    Von Renato höre ich nichts und traue mich irgendwie auch nicht so
recht, ihn anzurufen. Im Gegenteil, wenn ich an unser Intermezzo auf dem
Werkstattboden denke, ist mir gar nicht wohl.

9.
    Am Montag früh

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