Cappuccino fatale
um neun warte ich, mit meinen Pappen und
Mappen bewaffnet, vor dem Check-in-Schalter am Mailänder Flughafen Linate auf
Stefano. In einer Stunde soll unsere Maschine nach Neapel starten.
Doch Stefano kommt nicht. Und sein Handy ist ausgeschaltet. Nervös
rufe ich in der Agentur an, um nach seiner Privatnummer zu fragen, doch auch
diesmal meldet sich nach einigem Klingeln nur die Mailbox.
Komisch.
Ich beschließe, mir noch einen Kaffee und ein Cornetto zu holen und
es danach erneut zu versuchen.
Gegen halb zehn, ich bin inzwischen auf dem Weg zum Gate, ist
Stefano immer noch unerreichbar. Er wird den Flieger nicht erwischen, so viel
steht fest. Ich rufe wieder in der Agentur an und lasse mich, wenn auch ungern,
zu Maria durchstellen.
» Pronto ? «, seufzt ihre Stimme am
anderen Ende der Leitung.
»Maria, hier ist Nina«, seufze ich zurück. »Stefano ist nicht am
Flughafen aufgekreuzt. In dreißig Minuten hebt die Maschine ab. Was soll ich
jetzt tun – alleine fliegen oder den Kundentermin absagen?«
Maria japst hörbar nach Luft. »Da kannst du auf gar keinen Fall
alleine hin!«, höre ich sie sagen, als wäre ich eine achtzehnjährige
Berufsanfängerin. »Und auf gar keinen Fall können wir den Termin so kurzfristig
absagen«, fährt sie fort. Maria ist so aufgebracht, wie ich sie bisher noch
nicht gehört habe. »Hör zu, Nina, steig in den Flieger. Ich versuche herauszufinden,
wo Stefano ist, und spreche mit der Geschäftsführung. Ruf mich sofort an, wenn
du in Neapel gelandet bist. Ciao«, befiehlt sie und legt auf.
Ich schalte mein Telefon aus.
Boarding Time. Wie jedes Mal in meinem Berufsleben fliege ich
Holzklasse und wie jedes Mal ärgere ich mich, mich vollbepackt an den erhabenen
Herrschaften in den ersten Reihen vorbeidrängeln zu müssen, die bereits mit
einem Glas Prosecco am Morgen und ihrer Lektüre entspannt in ihren Sesseln
ruhen. Als hätte das Schicksal mir ein besonderes Schnippchen schlagen wollen,
sitze ich just in der Reihe, vor der ein kurzer, röckchenhafter Vorhang prangt,
der den Pöbel unter den Passagieren in Form einer deutlichen Geste von den
wirklichen Umsatzbringern der Airline trennen soll. Sobald die Stewardess ihr »Boarding completed« durch die Lautsprecher gehaucht hat,
zieht ihre Kollegin den Vorhang energisch zu. Mein Sichthorizont endet nun nach
knapp dreißig Zentimetern.
Als sich die Maschine in eine starke Linkskurve legt, um Richtung
Süden abzudrehen, habe ich den Vorhang bald im Gesicht hängen und rieche
darüber hinaus den Duft frischer Croissants, die in den Reihen vor mir schon
verteilt werden, während ich hier hinten noch auf ein schlichtes Glas Wasser
hoffe.
Etwas über eine Stunde später landen wir in Capodichino. Der Flieger
parkt mitten auf dem Rollfeld und schon nach zehn Minuten fahren zwei Busse
vor, um die Passagiere zu befreien. Ich quetsche mich in den überfüllten Bus,
so gut das mit meiner Handtasche und dem großen Koffer mit den
Präsentationspappen eben geht, und lasse mich zum Terminal schaukeln.
Dort betrete ich eine sonnige, moderne Halle mit viel Glas und
glänzenden, hellen Steinfliesen. Es herrscht eine geschäftige Atmosphäre.
Wartende Passagiere, vor allem Männer in Anzügen, laufen gestikulierend mit
ihren Handys am Ohr auf und ab, ein paar Touristen genießen an der Bar ihren
letzten italienischen Espresso und eine Putzkolonne zieht mit ihren mit Scheuermitteln,
Schrubbern und Toilettenpapier beladenen Wägelchen vorbei. Die Klimaanlage kann
nicht verbergen, wie viel sommerlicher die Temperaturen in Neapel im Vergleich
zu Mailand sind.
Ich setze mich auf eine Bank und schalte mein Handy an. Drei Nachrichten
vermeldet meine Mailbox: Der erste Anruf kommt von Stefano, der mit
hoffnungslos verkaterter Stimme irgendetwas von »Flug verpasst« und »zu viel vino gestern« faselt und diese Information mit diversen
Kraftausdrücken garniert. Dann ein Anruf von Maria, die immer noch nicht weiß,
wo Stefano geblieben ist. Dann noch ein Anruf von Maria aus dem Taxi auf dem
Weg zum Flughafen. Sie will die nächste Maschine nach Neapel nehmen und
nachkommen.
Marta, unsere liebenswürdige Sekretärin, sei bereits darauf angesetzt,
beim Kunden irgendwas zu drehen, damit wir das Meeting um zwei Stunden nach
hinten verschieben können. Sie klingt recht optimistisch. Ich kann mir indessen
etwas Besseres vorstellen, als ausgerechnet mit Maria den Termin absolvieren zu
müssen, bin aber froh, dass wer anders die Kohlen für mich aus dem
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