Cappuccino fatale
den Arbeitsmodus immer
besonders schwer zu bedienen. Deshalb sitze ich, obwohl es schon gleich zehn
Uhr ist, immer noch wie hypnotisiert vor meinem Rechner und träume von Paolo.
Unser Wochenende war einfach phantastisch. Irgendwann nach unserer
Bruchlandung auf dem Wasser hat uns die Hafenpolizei abgeschleppt und wir
bekamen ganz nebenbei eine Führung durch den Hafen von Neapel. Da Capri für
uns, oder vielmehr für unser defektes Boot, nun nicht mehr erreichbar war,
unternahmen wir einen spontanen Ausflug nach Pompeji und gingen abends in einem
verträumten Lokal an der Küste frischen Fisch essen. Als Paolo mich am Sonntag
zum Flughafen brachte, trennten wir uns so frisch verliebt, als hätte es nie
Probleme zwischen uns gegeben.
Inzwischen lese ich die vor gut einer Stunde eingegangene Mail zum
dritten Mal, ohne sie zu verstehen. Daher wechsele ich meine Tätigkeit und
beginne verträumt ein paar Hauspostumschläge aufzureißen, die jemand auf meinem
Schreibtisch abgeworfen hat. Wie gut, dass weder Simona noch Stefano bereits
zur Arbeit gekommen ist, sodass ich hier in Ruhe vor mich hin trödeln kann.
»Na, hat dir jemand Nettes geschrieben?« Lidia kommt ins Büro. »Du
guckst so verklärt.«
»Hmmm.« Ich schaue sie vielsagend an. »Wie geht’s dem Baby?«, will
ich stattdessen wissen.
»Gut, denke ich«, antwortet sie. »Gerade ist es vier Zentimeter groß,
etwa so lang wie eine Raupe.«
»Aha, schön. Schokolade für die gefräßige Raupe gefällig?« Ich
schiebe ihr eine offene Tüte mit Schokopralinen zu, die ich gestern in einem
Anfall von Heißhunger teuer am Flughafen erstanden habe.
» Mio dio, bloß nicht!«, wehrt Lidia ab.
»Schokolade stopft viel zu sehr.«
»Wie bitte?«
»Ich meine, dann geht gar nichts mehr. Verstehst du?« Nun schaut sie
vielsagend zurück.
»Inwiefern geht nichts mehr?« Ich verstehe nur Bahnhof.
»Ah«, schnaubt sie, »Ver-stopf-ung, capito? Das ist nun mal so in der Schwangerschaft.«
»Echt? So was habe ich ja noch nie gehört.«
»Klar, es gibt schließlich genügend andere schöne Dinge, über die
man lieber reden möchte, aber derzeit ist das nun mal das das Erste, was mir
einfällt. Und müde bin ich, sag ich dir.« Sie winkt in einer erschöpften Geste
ab. »Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen. Am Freitag habe ich mich heimlich
eine Stunde unter den Tisch im Konferenzraum gelegt und geschlafen.«
»Na ja, solange du dir dabei nicht den Kopf gestoßen hast«, spotte
ich, als Anspielung auf unser Fiasko von neulich.
»Nee!« Sie lacht auch. »Aber fast wäre Schlimmeres passiert: Ich bin
wach geworden, weil Marta reinkam und am Projektor rumgefummelt hat. Zum Glück
hat sie mich nicht bemerkt. Die hätte das doch sofort gepetzt.«
»Was, dass du schwanger bist?«
»Das weiß doch noch keiner hier. Nein, dass ich während der
Arbeitszeiten schlafe.«
»Zumindest bist du gerade unkündbar, kannst dich also getrost wieder
hinlegen«, scherze ich.
»Hm«, sie erhebt sich im Tempo einer alten Frau, »hoffentlich bleibt
das auch alles so, wie es ist.«
»Ach, bestimmt«, gebe ich zurück, »das wird schon.« Wie ich dieses
Das-wird-schon-Gefasel hasse, aber manchmal fällt einem eben nichts Besseres
ein.
Lidia offenbar auch nicht. »Genau«, sagt sie. »Ach so«, wechselt sie
dann das Thema, »weshalb ich zu dir gekommen bin: unsere Arbeit.«
»Ach die«, wehre ich ab, »wen interessiert die schon?«
Lidia lacht. »Die Kreation ist mit den Layouts fertig, für die wir
uns im letzten Meeting entschieden haben. Wir können also mit der Produktion
starten, sobald der Kunde die Entwürfe freigibt. Maria möchte in den nächsten
Tagen zur Abnahme nach Neapel fliegen.«
»Ach, schade, das hätte ich sonst auch gerne für sie erledigt«,
witzele ich. Offenbar will Maria mich in Neapel nicht mehr dabeihaben.
»Ja, das denke ich mir. Aber nun lass Maria auch mal einen Tag Sonne
tanken. Die überarbeitet sich sonst noch«, gibt Lidia ungewohnt lässig zurück.
Die Raupe scheint ihr gutzutun.
»Ich bin wieder da«, brülle ich in den Flur, als ich nach
Hause komme.
»Na, Gott sei Dank«, tönt Giorgios ironische Stimme aus dem
Schlafzimmer. »Ich wusste ohne dich schon gar nichts mehr hier in Mailand
anzufangen.« Er kommt etwas verschlafen in den Flur gewankt. »Daher war ich bis
heute Mittag in den Bergen und habe bis eben Siesta gehalten.«
»In den Bergen? Mit Ilaria?«, will ich wissen.
»Um Himmels willen, nein. Wenn ich die Frauen jetzt auch noch
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