Cappuccino fatale
mit in
meine Berge nehme, habe ich ja überhaupt keine Fluchtpunkte mehr im Leben.«
Ich nicke mitleidig.
»Dein camorrista hat gegen sechs hier
angerufen«, wechselt Giorgio das Thema. »Ich habe ihm erzählt, dass du um diese
Zeit deiner ehrlichen Arbeit nachgehst.«
»Was hast du eigentlich gegen ihn, du kennst ihn doch gar nicht?«
Dass er Paolo so am Telefon abfertigt, gefällt mir überhaupt nicht.
»Stimmt! Ich kenne ihn nicht. Das eine Mal, als ich ihn hier bei uns
im Treppenhaus gesehen habe, musste ich ihn wegjagen, um meine kleine Deutsche
zu beschützen«, fügt er heldenhaft hinzu, »daher finde ich, könnte er sich hier
ruhig mal vorstellen.«
»Aha.« Ich verharre ungläubig. »Giorgio, ich finde deine
Gedankengänge derart konfus, dass ich eventuell Alkohol brauche, um dir folgen
zu können.«
»Du meinst, wir sollten einen aperitivo trinken gehen?«
»Wenn Luca uns wieder in seine Bar lässt?«
»Ich schicke Ilaria vor, dann wird er uns schon nichts anhaben«,
räsoniert Giorgio unbekümmert und wählt ihre Nummer.
Eine Stunde später trippeln wir aufgeregt über die
Schwelle von Lucas Bar. Ilaria steht bereits am Tresen und ist mit dem barista in ein lebhaftes Gespräch verwickelt. Vor ihr
stehen drei Gläser Prosecco auf Eis.
»Ich habe schon bestellt, meine Lieben«, begrüßt sie uns beide mit
Küsschen.
Luca schaut uns streng an. »Traut ihr euch also wieder hierher?«,
fragt er.
»Ich verspreche dir von nun an Besserung«, nuschelt Giorgio demütig.
»Ein Leben in Mailand ohne Lucas Bar ist kein Leben …«, unterstütze
ich meinen Vermieter im Kampf um unsere Rechte am Tresen.
Luca hebt nur die Augenbrauen und stellt als Zeichen, dass er unsere
Entschuldigungen akzeptiert hat, ein Schälchen mit Erdnüssen und eines mit
schwarzen Oliven vor uns ab. Dann wendet er sich wieder den Weingläsern zu, die
noch poliert werden müssen.
»Jetzt erzähl«, raunt mir Ilaria mit gesenkter Stimme zu. Sie greift
sich zwei Proseccogläser, trägt sie zum hintersten Tisch in der Bar und gibt
mir zu verstehen, dass ich ihr folgen soll. »Wie war dein Wochenende? Ich will
alles wissen.«
Giorgio trottet mit seinem Glas in der Hand hinterher wie ein in die
Jahre gekommener Schäferhund.
»Ich will auch wissen, was passiert ist«, mault er und zieht sich
einen Stuhl heran, »immerhin bin ich für die Deutsche hier in Italien
verantwortlich.«
Ich ignoriere Giorgios letzten Gedanken zum Thema Verantwortungsgefühl
und fasse für die beiden in groben Zügen das in Neapel Erlebte zusammen.
»Höre ich da etwa heraus, dass du diesen Kerl rangelassen hast?«, schimpft Giorgio, als ich mit meinem Kurzbericht fertig bin.
»Euch hat dein Chef mit dem Vater seiner Ex gesehen?«, unterbricht ihn Ilaria aufgeregt. Sie wirft
sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkt die Arme über der Brust. »Oh, oh,
das ist aber gar nicht gut …« Sie atmet tief durch und schaut mich bekümmert
an.
Ich nehme einen Schluck Prosecco und denke nach. Jetzt, unter
Ilarias besorgtem Blick, steigt auch in mir wieder dieses ungute Gefühl von
Freitagabend auf.
»Wieso sollte es Conti interessieren, dass ich was mit seinem
Vertriebsleiter habe?«, versuche ich es hingegen trotzig.
»Schlimmer finde ich, dass der Signore mit dem Vater von Paolos
ehemaliger Verlobter befreundet und auch noch geschäftlich verbandelt ist«,
entgegnet Ilaria. »Gerade da unten im Süden, wo sich alle immer gegenseitig
einen Gefallen tun. Conti hat diesem Pienzo jedenfalls garantiert keinen
Gefallen getan, als er die Frau in die Stadt geholt hat, die mal eben der Grund
für die geplatzte Hochzeit seiner Tochter ist.«
Ich schaue ostentativ Luca beim Polieren der Gläser zu. Was Ilaria
da sagt, ist nicht das, was ich jetzt hören will.
»Nun gut«, wiegele ich dann ab, »es wird alles nicht so heiß
gegessen, wie es gekocht wird.«
»Da hast du recht«, stimmt Ilaria mir zu, »oder vielmehr:
hoffentlich.«
30.
Am Mittwoch sitze ich zusammen mit Stefano an seinem Pult,
um ein paar Unterlagen mit ihm durchzusprechen. Da erscheint Marta in der Tür.
»Du möchtest bitte zu Luigi Monetti ins Büro kommen«, fordert sie
mich wie gewohnt grußlos auf.
Ich zucke zusammen. Luigi? Was will der denn von mir?
Auch Simona wirkt hinter ihrem Monitor wie ein aufgeschreckter Hase
und schaut von einem zum anderen.
Stefano richtet sich auf. »Worum geht es?«, fragt er Marta.
»Weiß ich doch nicht«, antwortet sie unwirsch. »Das wird Luigi
Weitere Kostenlose Bücher