Cappuccino fatale
sich alles zu drehen. Bei all diesem Chaos
wundert es mich, wie sehr ich mich ausgerechnet über die Werbemaus ärgere. Als
wenn es darauf noch ankäme …
Schweigen.
»Hast du gerade ›Was, du auch ?‹ gesagt?«,
fragt Paolo dann.
»Ja. Ich bin von dem Napolone-Job freigestellt. Conti hat unserer
Geschäftsleitung mitgeteilt, dass er nicht mehr von mir betreut werden will«,
informiere ich Paolo.
»Ach, du Schande«, stöhnt er.
»Warum macht er das?«, frage ich verzweifelt. »Das mit uns kann ihm
doch egal sein …«
»Nein, das kann es nicht«, erklärt mir Paolo. »Schließlich hat er uns
zusammen mit Pienzo im Restaurant gesehen. Conti verliert vor dem Großhändler
sein Gesicht, wenn er unsere Verbindung durch Nichtstun praktisch unterstützt.
Wahrscheinlich fühlt er sich schuldig, weil wir uns über ihn kennengelernt
haben. Und das möchte er nun zumindest ein Stück weit wiedergutmachen. Conti
braucht Pienzo«, fügt Paolo hinzu. »Die beiden sind nicht nur befreundet –
unser Unternehmen ist auf Pienzo angewiesen.«
Ich hole tief Luft und merke, dass ich drauf und dran bin
loszuheulen. »Können wir uns sehen?«, stammele ich.
Kurze Stille.
»Ja«, sagt Paolo dann. »Ich nehme mir bei Napolone frei und versuche
einen Flug nach Mailand zu bekommen. Dann reden wir in Ruhe.«
31.
Am nächsten Vormittag landet Paolo in Mailand. Ich schwänze
die Arbeit oder eher das bisschen, das es vielleicht noch für mich zu tun gibt,
und hole ihn vom Flughafen ab, von wo aus wir mit der Tram Richtung
Stadtzentrum fahren. Wir reden nur wenig. Paolo hat einen Arm um mich gelegt
und krault meinen Nacken, während ich mich gegen ihn lehne und dabei aus dem
Fenster schaue. Ich bin einfach nur erschöpft und habe vergangene Nacht
eindeutig zu wenig geschlafen.
Am Domplatz steigen wir aus und bummeln durch Mailands
Haupteinkaufsmeile zwischen sommerlich gestimmten Menschenmassen beim
Pre-Urlaubs-Shopping. Es fühlt sich an, als würden wir nicht dazugehören.
Wir gehen bis zu einem kleinen Park und legen uns dort auf Paolos
Jacke auf die Wiese. Dort sind wir umringt von zig anderen Pärchen, die im Gras
herumliegen und in den Tag hineinleben. Mit unseren ernsten Gesichtern stehen
wir an einem so wunderschönen Sommertag wohl alleine da.
Ich lege den Kopf auf Paolos Schulter und blicke gen Himmel.
»Was, wenn wir zusammen ins Ausland gehen?«, frage ich buchstäblich
ins Blaue hinein.
Paolo lacht. »Und dort?«, will er wissen.
»Machen wir was Neues, alle beide.« Mir ist die Idee erst in dem
Moment gekommen, als ich sie ausgesprochen habe.
»Klingt zwar nach einem aufregenden Ausreißerdasein, aber sorry …«
Paolo richtet sich auf und schaut mich an. »Das ist nichts für mich, Nina.« Er
reißt einen Grashalm aus und kaut darauf herum. »Ich habe Verpflichtungen in
Neapel, meine Neffen und Nichten brauchen mich, ich habe meine Wohnung dort …«
»Dein Boot«, füge ich verärgert hinzu.
»Und vor allem«, Paolo scheint meinen Seitenhieb gar nicht bemerkt
zu haben, »ich kann kein Englisch, geschweige denn irgendeine andere Sprache
als Italienisch.«
Ich verzichte auf eine Grundsatzdebatte über das Erlernen von
Fremdsprachen und lege mich enttäuscht auf den Rücken ins Gras.
Eine Taube fliegt direkt über mir vorüber. Zum Glück enttäuscht sie
mich nicht auch noch und behält ihre Reste vom Abendessen für sich.
»Hast du schon in Hamburg gefragt, ob du bald wieder dort anfangen
kannst?«, fragt Paolo.
»Nein«, gebe ich zurück, »ich habe noch gar nichts unternommen. Zu
Hause weiß noch keiner, was hier gerade abläuft. Ich habe mich heute noch nicht
mal von der Arbeit abgemeldet.«
»Es ist aber wichtig, dass du deinen Stammarbeitgeber so schnell wie
möglich fragst, ob du wiederkommen kannst.«
»Willst du mich etwa loswerden?«, maule ich ihn heftiger an als
gewollt. »Soll ich gehen?«
»Äh … nein.« Paolo schüttelt konsterniert den Kopf. »Natürlich
nicht. Nur – es ist wichtig, dass du einen Job hast.«
»Ich könnte mir doch auch hier einen suchen«, schlage ich trotzig
vor.
»Klar könntest du das.« Paolo redet auf mich ein wie auf ein
verstörtes Pferd, »aber du kennst die Joblage in Italien inzwischen. Hier gibt
es praktisch nichts. Auf Bewerbungen reagiert kein Mensch, und wenn du endlich
einen Job findest, kommst du mit dem Nettolohn kaum über die Runden – bei den
Mieten hier«, fügt er hinzu.
Ich streiche mir die Haare aus der Stirn. »Was sollen wir
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