Cappuccino fatale
salzige Seeluft ins Gesicht. Ich bin überrascht,
wie schnell unser kleines Boot ist. Rasch entfernt sich der Anleger von uns,
die Menschen und Autos auf der Panoramastraße werden zu winzigen Punkten.
Ich nuckele an dem Prosecco und lehne den Kopf an Paolos Schulter.
Der hat einen Arm um mich gelegt und dreht mit der anderen Hand lässig in
kleinen Bewegungen am Steuerrad.
Links von uns liegt die Stadt, von deren Lärm und Getöse nichts mehr
zu uns herüberdringt. Ich sehe große Fähren im Hafen liegen, die nach Sardinien
oder sonst wohin fahren, und bald kommt der gigantische Vesuv näher und näher,
der fast bis zur Hälfte dicht an dicht mit Häusern besiedelt ist.
»Es ist herrlich, ich bin echt begeistert.« Ich drücke Paolo an
mich. »Was für ein traumhafter Tag.«
»Ja, nicht wahr? Finde ich auch.« Paolo erwidert meine Umarmung und
küsst mich auf den Hals.
Mit halbem Auge nach vorne blickend küssen wir uns eng umschlungen
und veranstalten eine kleine Slalomfahrt Richtung Capri. Wir sind ausgelassen
wie zwei Schulkinder. So tuckern wir eine Weile fröhlich durch Neapels Bucht.
Plötzlich ein Stottern.
Ein Husten.
Dann Stille.
Nur noch das Schunkeln der Wellen gegen das Boot ist zu hören.
Wir lösen uns voneinander und schauen überrascht hinter uns Richtung
Motor. Der hingegen tut gerade gar nichts mehr.
Paolo klettert über den Sitz nach hinten und macht sich an dem Gerät
zu schaffen. Er drückt ein paar Knöpfe und dreht an einem Hebel, doch der Motor
bleibt ruhig.
»Hm, ich fürchte, der ist im Eimer.« Paolo dreht sich mit besorgtem
Gesicht zu mir um.
»Genau!« Ich grinse ironisch. »Diese James-Bond-Nummer kannst du
vielleicht den Damen aus dem Umland hier aufbinden, aber nicht mir«, höhne ich
fröhlich und rekele mich auf dem Beifahrersitz. »Was hat der Kapitän denn jetzt
Schönes mit mir vor?«, möchte ich gut gelaunt wissen.
Paolo schaut mich ratlos an und klettert wieder vor auf den
Fahrersitz. »Nina, ich mache keinen Spaß. Der Motor ist hin.«
»Du verarschst mich.«
»Nein, ich schwöre es dir. Es ist wirklich so.«
»Aber ein Motor gibt doch nicht so einfach ohne Vorwarnung den Geist
auf.«
Er zuckt die Schultern. »Selten. Aber es kommt vor …«
»Gibt es da nicht noch solche Kordeln, an denen man ziehen kann, um
den Bootmotor wieder ans Laufen zu bringen?« Das habe ich irgendwann mal im
Fernsehen gesehen.
»Bei alten Motoren vielleicht. Bei den neuen Modellen gibt es einen
Zünder und wenn der nicht funktioniert, funktioniert er eben nicht«, erklärt
mir Paolo geduldig.
Ich schaue ihn fassungslos an und spähe dann aufs Meer hinaus.
Plötzlich finde ich es nicht mehr so witzig, so weit draußen in einer
Nussschale auf dem offenen Meer zu schunkeln.
»Was machen wir denn jetzt?«, will ich wissen und muss schlucken.
»Jetzt rufe ich die Küstenwache an«, erwidert er und zückt sein
Handy. Offensichtlich hat er noch Empfang hier draußen, Gott sei Dank.
Paolo tippt in seinem Handymenü herum und klemmt sich das Telefon
mit angespannter Miene zwischen Ohr und Schulter, während er mit beiden Händen
eine Seekarte entfaltet, die unter seinem Sitz verstaut war. Ich höre ihn mit
einer Person am anderen Ende der Leitung verhandeln, dann legt er auf.
»Also«, beginnt er sachlich, »alles in Ordnung. Sie kommen in
höchstens einer Stunde hier raus, um uns abzuschleppen. Wir sollen den Anker
werfen und warten. Zum Glück läuft in den nächsten Stunden kein großes Schiff
in den Hafen ein oder aus, das uns über den Haufen fahren könnte.«
Seine ruhige Stimme verfehlt ihre Wirkung nicht. Ich atme
erleichtert tief durch und greife nach seiner Hand.
»Ist es denn nicht gefährlich, wenn wir hier draußen vor Anker
liegen?«
»Na ja, es ist nicht toll, aber auch nicht gefährlich.« Er schüttelt
den Kopf. »Nein, die Küstenwache ist ja auf dem Weg zu uns. Du brauchst
wirklich keine Angst zu haben«, versichert er mir und streicht mir über den
Kopf.
»Okay«, akzeptiere ich und nippe an meinem Prosecco. »Und nun?«
»Und nun«, Paolo zieht mich zu sich heran, »spielen wir einen
James-Bond-Film nach.«
29.
Seit ich in Mailand lebe, fühle ich mich zwischen meiner
Arbeit und dem, was ich privat so treibe, wie zwischen zwei Welten hin- und
hergebeamt. Jedes Mal ist mir, als müsste ich mich erst schütteln, mir kurz
klarmachen, wo ich bin, und entsprechend vom Arbeits- in den Sonst-was-Modus
umschalten.
Montagmorgens ist der Knopf zum Umschalten in
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