Caras Gabe
Hoffnung bröckelte, doch ich wollte nicht aufgeben. Vorsichtig fasste ich ihn an der Schulter und rüttelte ihn leicht, so als würde er bloß schlafen.
„Arun“, flüsterte ich in die Stille der Zelle. „Wach auf, Varuh. Wach auf.“
Ich legte mich neben ihn auf den eisigen Boden und strich ihm das blutstarre Haar aus der Stirn. „Es wird Nacht“, erklärte ich ihm leise. „Ich rufe dich. Komm zu mir.“
Seine Lider flatterten.
„Arun!“
Bei allen Göttern, er atmete. Ich fasste seine Schulter. „Arun, bitte wach auf. Du hast deinen Umhang zurück. Die Nacht kann dich heilen, sie wird dich heilen, das hast du selbst gesagt, weißt du noch?“ Ich merkte kaum, dass mir Tränen über die Wangen liefen und auf den Stein tropften. „Arun, weißt du noch, damals im Wald? Weißt du noch, wie wir gekämpft haben? Weißt du … weißt du noch?“
Ein tiefer Schnitt über seinem Auge begann sich zu schließen. Ich sah zu, wie die Haut sich zusammenfügte, einen gesünderen Ton annahm, und konnte es kaum glauben. Mein Herz schlug wie wild.
Es war, als würde ein leichter Windstoß durch den Raum gehen. Er wusch über den Dämon hinweg und brachte seinen Umhang zum Flattern, als erfülle er ihn mit neuem Leben. Aruns Gesichtszüge entspannten sich und dann atmete er tief ein.
Er stöhnte, zog den Umhang enger um sich, richtete sich halb auf und fasste sich an die Stirn. Sein Haar fiel ihm über die Schultern ins Gesicht. Er atmete tief ein, atmete aus und sah mich an.
Ein unsägliches Glücksgefühl durchströmte mich und vertrieb für einen Moment alle Schmerzen und Ängste.
Arun streckte eine Hand nach mir aus. Es war ihm anzusehen, wie rasch die heilende Magie der Nacht ihre Wirkung entfaltete. „Lass uns hier verschwinden“, sagte er und lächelte schief.
Ich nickte und nahm seine Hand.
Wohltuende Dunkelheit umfing mich und im nächsten Augenblick fand ich mich vor Sowanjes Hütte im Wald wieder. Die Apfelblüten leuchteten im Mondschein und verbreiteten einen wundervollen Duft. Alles war weiß. Es hatte geschneit.
Ich ließ mich gegen Arun sinken, schloss die Augen und genoss den stillen Moment wie eine warme Decke, die über mich gebreitet wurde.
„Lass uns ins Haus gehen“, sagte Arun leise. „Du brauchst Schlaf und Heilung.“
Ich war zu müde, um etwas zu sagen, und so ließ mich von ihm zur Tür und in die Hütte führen. Meine Lider waren so schwer, dass sie ständig zufielen, aber diesmal wusste ich, dass keine ölige Schwärze auf mich lauerte, sondern bloß erholsamer Schlaf.
Am Rande des Bewusstseins nahm ich wahr, wie Sowanje uns entgegeneilte, während Ghalla das Feuer schürte und einen Tee aufsetzte. Arun bettete mich auf eine der verhangenen Liegestätten. Die Felle waren so weich, dass ich seufzen musste.
Arun setzte sich neben mich, streichelte mein kurzes Haar und murmelte beruhigende Worte. Ein Becher wurde mir an die Lippen gehalten. Ich trank. Kurz darauf spürte ich bereits, wie mein Körper sich entkrampfte und die Schmerzen ein wenig nachließen.
„Schlaf“, flüsterte Arun. „Ich werde über dich wachen.“
„Ich weiß“, murmelte ich und ließ mich hinabsinken.
Kapitel 15
Verständnislos schüttelte ich den Kopf. „Weshalb sollte Marmon wollen, dass wir entkommen?“
Arun saß neben mir am Tisch und raufte sich die Haare. Ich mochte diese Geste und obwohl wir uns gerade stritten, konnte ich den Impuls nicht unterdrücken, meine eigene Hand durch sein Haar gleiten zu lassen.
„Cara.“ Er fasste mein Handgelenk und sah mich strafend an. Ich fand ihn einfach nur hinreißend.
„Was ist?“, fragte ich unschuldig und legte den Kopf schräg.
Der Dämon fletschte die Zähne, als würde er sich jeden Moment auf mich werfen. Leider hatte das bloß zur Folge, dass ich ihn noch mehr reizen wollte.
Doch Aruns Selbstbeherrschung war eisern. Er ließ meine Hand los und atmete tief durch. „Bist du sicher, dass es Marmon war? Du standest noch immer unter dem Einfluss des Giftes und eine der Nebenwirkung sind Halluzinationen.“
Ich seufzte. „Ja, das habe ich verstanden. Aber es war Marmon. Wir sollten uns lieber Gedanken darüber machen, warum er es getan hat? Es ergibt keinen Sinn und solange ich keine Erklärung habe, bleibe ich misstrauisch.“ Ich senkte den Blick auf meine Hände. „Er sagte, ich könne ihm noch von Nutzen sein.“
Arun sagte lange Zeit kein Wort und als ich wieder aufsah, starrte er ins Nichts. „Das kann nicht sein“, murmelte
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