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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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Nähe. Die solide Stärker der Arme die mich umgaben. Sein Herzschlag, der Geruch von Harz und Tannennadeln. Es brach einen Damm in mir. Die Wucht der Flutwelle war niederschmetternd, vernichtend. Ich klammerte mich an Arun wie an eine Rettungsleine. Es gab keinen anderen Halt, keine Möglichkeit dem brausenden Strom in meinem Kopf zu entkommen.
    Ich schrie. Was, weiß ich nicht mehr. Ich fluchte, schrie und heulte und Arun hielt mich, bis ich keine Stimme mehr hatte und keine Kraft zum Weinen.
    Irgendwann, im Laufe der Nacht, konnte ich es nicht mehr leugnen. Ich legte mein Gesicht an seine Halsbeuge und spürte seine Wärme, seinen Mut und seine Hingabe. Er war stark. Stark genug mich zu halten. Er konnte es ertragen, wenn ich Angst hatte, wenn ich wütend war, ohne dass ich ihn zu sehr verletzte. Ich fiel und bröckelte in seinen Armen wie ein gewaltiges, altes Gebäude. Stein um Stein brach auseinander und schlug auf den Boden. Die Erschütterungen rüttelten mich bis in den Kern meines Wesens.
    Ich war mehr als erleichtert und mehr als erstaunt und froh, als ich mich nach meinem Zusammenbruch nicht auflöste. Mein Verstand war noch bei mir, meine Gefühle lagen da wie ein stiller See und Stück für Stück errichtete ich eine neue Behausung für mich und erschuf mich selbst dabei neu.
    Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, doch die ganze Zeit über war Arun bei mir, flüsterte beruhigende, liebevolle Worte, hielt mich und erlebte meinen Kummer.
    Erst als ein grauer Streifen am Horizont die Sonne ankündigte, schob er mich sanft von sich. „Wir sollten zurückgehen“, sagte er leise.
    Ich nickte.
    Er legte einen Arm um mich und wir setzten uns langsam in Bewegung. „Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe.“
    Ich seufzte tief und stützte mich auf ihn. Meine Knie waren wackelig, als würde ich zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen. „Mir auch“, krächzte ich. „Sehr.“ Ich legte eine Hand über sein Herz und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. „Und ich will nicht, dass du weggehst.“
    Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Ich auch nicht.“
    „Arun?“
    „Ja.“
    „Ich vertraue dir.“
    In der nächsten Nacht fuhren wir mit meinen Lektionen im Schwertkampf fort und diesmal war es einfacher, Arun zu folgen. Es war, als hätte sich ein Knoten gelöst. Ich fühlte mich leichter und befreit.
    Als Dämon blieb Arun mir in Schnelligkeit und Kraft natürlich weit überlegen, doch ich lernte rasch dazu und ich liebte es, mich zu verausgaben.
    Am Anfang war es immer wieder frustrierend, da mein Körper noch lange nicht alles mitmachte, was ich ihm befahl, und auch das Holzschwert kam mir mehr als Behinderung als eine Erweiterung meines Armes, wie Arun es nannte, vor. Aber ich wurde stetig besser. Ich kämpfe wie ein Biest, sagte Arun einmal, und so fühlte ich mich auch. Wild und ungestüm. Unaufhaltbar.
    Zeit verging, die Tage und Nächte flogen nur so dahin, unaufhaltsam wie Zugvögel. Ich tat mein Bestes, Sowanjes Rat zu folgen und im Augenblick zu leben.
    Manchmal tollten wir durch den Schnee wie übermütige Kinder, manchmal erklärte Arun mir die verschiedenen Techniken mit solcher Ernsthaftigkeit und Feierlichkeit, dass ich glaubte, durch ihn Schwertmeister längst vergangener Tage sprechen zu hören.
    Sowanje und Ghalla arbeiteten unermüdlich an meiner gläsernen Waffe. Es gab Tage oder Nächte, da kamen sie kaum aus dem Haus und brüteten über Zauberformeln, Kräutergemischen oder sonstigen Dingen, von denen ich nichts verstand.
    Dennoch schafften wir es, uns mit ihnen einen gewissen Rhythmus anzueignen. Arun ging zum Ende der Nacht auf die Jagd und Ghalla sammelte tagsüber Knollen oder schaffte etwas aus ihrem Vorratslager heran, das sie dann morgens und abends zu einer Mahlzeit zauberte, die wir alle gemeinsam am Tisch einnahmen.
    Hin und wieder erzählte Ghalla eine Geschichte und wenn sie es tat, handelte sie von mythischen Wesen, Riesen und Drachen aber niemals von Menschen. Eines Abends setzte sie sich zu Sowanje ans Feuer und begann zu singen. Ihre Stimme war so sanft und klar zugleich, dass augenblicklich alle Sorgen und düsteren Gedanken von mir abfielen wie welkes Laub. Das einzige, was ich noch wahrnahm, war ihre Stimme und die bescheidene Melodie, an der sie sich entlangschwang. Es war wie ein perfekter Augenblick, den jemand für mich in Glas gebannt hatte.
    Als sie geendet hatte, dauerte es lange, bis ich so weit zu mir zurückfand, dass ich mich bewegen

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