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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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konnte. Arun streckte seine Hand aus und legte sie über meine. Ich sah ihm in die Augen und erkannte, dass auch er einen Moment ungetrübter Schönheit erlebt hatte.
    Es war gut, dass Ghalla nur dieses eine Mal gesungen hatte, ansonsten hätte ich nichts anderes mehr gewollt, als nur ihrer Stimme zu lauschen. Kampf, Lichtträger, Marmon selbst, all das wäre in weite Ferne gerückt. Wer wollte schon in Anbetracht solcher Schönheit zur Waffe greifen?
    Ich fragte mich, wie es für Sowanje war, ihre Geliebte singen zu hören. Oder wie es für sie war, wenn Ghalla nicht sang.
    Arun nahm meine Hand und führte mich hinaus in den Schnee, in die strahlende Nacht. Ich folgte seinen Anweisungen und Bewegungen mit blindem Vertrauen. Und so fand ich sie endlich, an diesem Ort im Schnee. Die Ruhe. Vor dem Sturm.
    Es war eine Art des Friedens, wie ich sie nie zuvor gespürt hatte, und auch wenn ich wusste, dass es niemals von Dauer sein konnte, war ich doch glücklich für diese wenigen Tage.

Kapitel 16
    Der Morgen nahte und Arun war auf die Jagt gegangen. Ich fühlte mich zwar erschöpft durch die Schwertstunden, doch als ich zur Hütte zurückgekehrt war, hatte ich weder Ghalla noch Sowanje dort gefunden. Allein in den leeren Wänden, mit dem knackenden Feuer konnte mein Geist nicht zur Ruhe kommen und so zog ich aus, um meinen Frieden im Wald zu finden.
    Diesmal achtete ich darauf, wohin mich meine Schritte führten. Ich kreuzte Hasenspuren und folgte für eine Weile einem Wildpfad. Schon bald entdeckte ich nördlich der Hütte einen Bachlauf, der sich weiter Richtung Nordosten zwischen Buchen und Eichen hindurchwand. Die Ufer des Baches waren von glockenförmigen Skulpturen überhangen, geformt um Gräsern und Ästen, die dort ins Wasser ragten. Eine kleine Wunderwelt aus milchigem und durchscheinendem Eis.
    Neben dem Bachlauf ging ich in die Knie und tauchte meine Hand in den eiskalten Strom. Um mich herum lag der Wald friedlich und dunkel da, die Baumstämme wirkten wie Säulen in einer weiten Halle, deren Decke von schneeschweren Zweigen gekrönt war. Ein fast überirdischer Glanz ging vom Schnee aus, als suche er die Nacht mit seinem eigenen geheimnisvollen Leuchten zu erhellen.
    Ich ließ meinen Blick durch die Äste der Bäume schweifen und plötzlich entdeckte ich auf dem Zweig einer Buche nicht weit von mir eine Schneeeule. Sie saß vollkommen ruhig da, als gebiete sie wie eine Königin über dieses nächtliche Hallen zwischen den Stämmen. Ihre gelben Augen waren aufmerksam auf den weißglänzenden Untergrund gerichtet. Keine noch so kleine Bewegung entging ihr.
    Von plötzlicher Ehrfurcht ergriffen hielt ich den Atem an, blieb still hocken und wartete.
    Unendlich langsam beugte sie sich vor, spreizte leicht die Flügel, öffnete den gebogenen Schnabel und ich erkannte den Jäger in diesem scheinbar so zarten Geschöpf. Mit einem Mal stieß sich die Schneeeule ab und segelte lautlos mit gespannten Flügeln auf den Waldboden zu. Sternenlicht erhellte ihre Schwingen, ihre Klauen streiften den Schnee und sie schwang sich hoch in die Luft. Die Nacht verschluckte sie, als das majestätische Tier zwischen den Bäumen verschwand, ihre quiekende Beute in den Fängen.
    Ich blickte ihr staunend hinterher. Die Jagd war kaum lauter gewesen als fallender Schnee.
    Leise seufzend betrachtete ich, wie das Mondlicht im tanzenden Wasser über meine Hand sprudelte. Wann waren die Nächte für mich zum Tag geworden?
    Im Osten schimmerten die ersten grauen Schleier durch die Zweige, kündigten den neuen Tag an. Ein Schauer durchfuhr mich und ich zog meine Hand aus dem eisigen Strom. Unwillig, schon zur Hütte zurückzukehren, stapfte ich weiter durch den Schnee, bis ich ein Geräusch vernahm, das sich vom Murmeln des Baches und meinen Schritten unterschied.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen und spähte in die Richtung, aus der die Klänge gekommen waren. Dichtes Unterholz und junge, eng stehende Tannen verbargen mir die Sicht. Ich legte den Kopf schräg und lauschte. Es hörte sich an wie Eis auf Eis, ein melodisches Klirren und Schaben von Glas, beinahe wie ein Singen und Sirren. Das konnte nur Lurian sein.
    Auf einmal schlug mein Herz sehr schnell. Ich schlich zu den schneebehangenen Tannen und schob mich zwischen ihren stacheligen Leibern hindurch. Es war nicht leicht, sich bei dem tiefen Schnee geräuschlos zu bewegen. In meinen Ohren klang das Schaben der Nadeln über meine Kleidung überlaut. Ungeschickt stieß ich gegen einen

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