Caras Gabe
mussten.
Ich fühlte mich erhaben. Wie eine Rachegöttin auf ihrem gerechten Feldzug. Das Abschlachten dieser Lichtträger war kein Verbrechen, kein Schmerz, es war eine Notwendigkeit und ich war die fleischgewordene Waffe eines Schicksals, das sich niemals anders hätte abspielen können. Egal wie oder wo, oder wann ich geboren worden wäre, ich hätte einen Weg gefunden, das Schwert zu schmieden und den Krieg in Marmons Berg zu tragen.
In diesem Moment des unbändigen Wütens kamen sie zu mir. Meine bisherigen Leben. Wie Augenblicke, die in einem See an die Oberfläche schwemmen und wieder versinken. All die Leben voll Blut und Gewalt, voll Schmerz und Unterdrückung. Die Schlachten und der Rausch. Sowanje hatte Recht gehabt. Ich hatte schon immer gekämpft. Es war meine Bestimmung, meine Erfüllung. Der goldene Taler war auf den Grund des Brunnens gesunken.
Es musste lange gedauert haben, bis ich aus meinem Wüten erwachte. Es war, als würde ich aus dem Nebel treten. Mein Atem kam stoßweise, meine Kleidung hing zerschlissen an mir, meine Haut war über und über mit Schweiß und kleinen und größeren Schnitten übersät. Auf meiner Haut glitzerte feiner Glasstaub und um mich herum schmückten glimmende Scherben das Seeufer, als sei dies schon immer ein Strand aus Glas gewesen.
Seltsam verwirrt drehte ich mich hin und her, doch ich entdeckte keinen einzigen Körper. Glas knirschte unter meinen Füßen. Hatte ich sie alle zu Scherben zerschlagen?
Lurian schwebte über den Flammen und brüllte seinen Sieg heraus. Eine nie gekannte Macht durchströmte mich, pulste durch meine Adern. Ich schloss die Augen und drehte mich mit ausgebreiteten Armen im Kreis. Auch ich schrie. Die Lichtträger waren besiegt. Zerschlagen und besiegt.
„Arun“, rief ich euphorisch und wirbelte zum ihm herum. „Hast du das ge–“
Die Worte blieben mir im Hals stecken. Das Schwert fiel klirrend zu Boden.
Die Gestalt des Varuh lag ausgestreckt auf den Scherben. Ich rannte, schnitt mir die Knie auf, als ich neben ihm zu Boden ging. Meine Hand zitterte Zentimeter über seiner Schulter, doch ich wagte nicht ihn zu berühren, aus Angst, nichts als eine leblose Hülle zu spüren.
Sein Haar verdeckte sein Gesicht, der schwarze Umhang den Rest des Körpers. So sehr ich auch starrte, konnte ich keinen Atem sehen.
Das Prasseln der Flammen wuchs zu einem ohrenbetäubenden Brausen in meinem Kopf. Meine Lippen formten seinen Namen, doch ich konnte meine eigene Stimme nicht hören. Wie durch einen Traum beobachtete ich meine Hände. Sie fassten Arun an den Schultern und drehten ihn auf den Rücken. Sein Kopf rollte haltlos zur Seite. Seine Augen waren verschlossen und aus seinem Mund tropfte ein schwarzes Rinnsal.
Meine Finger tasteten über seinen Hals, schoben die Stoffreste beiseite. Das Hemd hing in Fetzen und auf seiner Brust prangte ein tiefer, gezackter Riss. Die Schulter war durchbohrt.
Ein Windstoß erfasste mich von hinten. Schritte knirschten über Scherben. Kurz darauf kniete Lurian neben mir. Er sah erschrocken aus.
„Cara“, flüsterte er und schluckte. „Wir … müssen weiter.“
Hätte ich die Kraft gefunden, ich hätte ihn geschlagen. Ich bemühte mich ruhig zu atmen und legte meine Hände auf Aruns Brust. Seine Haut war kalt, aber nicht eiskalt wie der Tod. Ich schüttelte den Kopf. Meine Augen konnten Aruns leblose Gestalt nicht verlassen.
„Nein“, hörte ich mich sagen. „Wir können nicht weiter. Ich muss Arun hier rausbringen.“
Die Hand des Dämons schloss sich um mein Handgelenk. Ich schrie auf. Er zog mich zu sich hinunter. „Du wirst nicht … umkehren“, keuchte er.
Der Schreck hätte mich beinahe den Verstand gekostet. Ich kämpfte darum, meine wild kreischenden Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Bis eben hatte ich befürchtet, dass er tot war, und nun befahl er mir, ihn zurückzulassen. Verwundet wie er war!
„A-Arun, ich …“, meine Stimme wollte mir nicht gehorchen. „Ich kann nicht –“
„Und ob du kannst“, knurrte er. „Cara, ich …“ Er lehnte den Kopf zurück und schloss für einen Moment die Augen. Sein Körper bebte vor Schmerz, als er sich mühsam an der Wand in eine sitzende Position hochzog. „Nicht meinetwegen“, flüsterte er und zog meine Hand an seine Lippen. Sein Kuss war feucht von Blut. Meine Hand zitterte.
„Erinnerst du dich an die Nacht, als du mich zu dir gerufen hast?“
Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich konnte bloß nicken.
„Ich kannte dich,
Weitere Kostenlose Bücher