Caras Gabe
an meinem Mundwinkel. Das musste etwas wert sein.
Der Lichtträger stockte, wurde langsamer, bis er schließlich vor mir zum Stehen kam. Verwunderung legte sich über seine Züge. Seine glatten Augen fuhren über meine Gestalt, als sei ich eine Geistererscheinung, und für die Dauer eines Lidschlages wirkte er vollkommen ratlos darüber, was er als nächstes tun sollte.
Ein Lichtstrahl fiel durch die Fenster hinter mir und ergoss sich über seinen Flügel. Splitter in allen Farben des Regenbogens tanzten durch den Raum. Es war wunderschön.
Der Lichtträger beugte sich vorsichtig zu mir hinab. Fast zärtlich umschlang er mich mit beiden Armen und presste mich an sich. Sein Flügel umfing mich, als wolle er mich vor allem Übel der Welt beschützen. Ich keuchte vor Schmerz, als das scharfkantige Glas in meinen Arm ritzte. Er drückte fester zu und presste die Luft aus meinen Lungen.
„Ich soll dich nicht töten, Cara“, flüsterte er mit stechender Stimme. „Das Licht liebt dich, sagte mir Marmon, doch mir gefällt das nicht. Und nun … schlafe.“
Schwarze und weiße Punkte tanzten vor meinen Augen. Ich schnappte verzweifelt nach Luft. Schlaff wie eine Puppe hing ich in seinen Armen, mein Bewusstsein entglitt mir. Eine wohlige Schwärze rief mich zu sich, umhüllte mich mit Gefühllosigkeit und Stille. Ich war mehr als versucht diesem Ruf nachzugeben. Es war finster dort, wo ich hingehen sollte, wie eine Nacht. Ein Gedanke durchzuckte meinen Kopf. Es war eine leere Nacht, eine seelenlose Nacht, ohne Dämonen.
„Schlaf“, befahl der Lichtträger. Sein Gesicht verschwamm, mein Blickfeld löste sich auf.
Nein!, schrie eine Stimme in meinem Kopf. Mein Körper zuckte und dann spürte ich die gläsernen Federn seines Flügels an meinem Handrücken. Ich durfte ihm nicht nachgeben, durfte nicht aufgeben.
Wild entschlossen packte ich die Feder fester, riss sie aus dem Flügel und stieß sie mit letzter Kraft in das Gesicht des Lichtträgers. Sie tauchte widerstandlos durch Knochen, Muskeln und Fleisch. Gelbes Blut sprudelte hervor und spritzte auf mein Gesicht. Der Klammergriff um meine Rippen löste sich und ich konnte wieder atmen.
Der Lichtträger riss den Kopf zurück, die Hände um seinen Schädel, und stieß einen spitzen Schrei voll Pein und Wut aus. Die Feder glitt aus meiner Hand, ich wurde zu Boden geschleudert. Sein Schrei hielt an und durchzuckte meinen Körper mit Wellen aus Schmerz. Ich presste die Hände auf meine Ohren und fühlte Blut.
Wie durch einen roten Nebel sah ich zu dem tobenden Lichtträger. Er bäumte sich auf, tastete wild nach der Feder, die in seinen Schädel eingedrungen war. Sein verbliebener Flügel schlug wild durch die Luft. Der Windstoß erfasste mich und schleuderte mich zurück. Mit einem Scheppern und Krachen prallte ich gegen den Altar. Blendender Schmerz explodierte in meinem Rücken, nahm mir die Sicht und raubte mir für einen furchtbaren Moment den Atem. Ich beugte mich vornüber und erbrach mich.
Als die Krämpfe endlich nachließen und ich wieder sehen konnte, hallte das Kreischen des Lichtträgers noch immer durch die Kirche. Mit einer Hand tastete ich nach dem Altar hinter mir und zog mich zitternd und keuchend daran hoch.
Durch einen Tränenschleier sah ich, dass der Lichtträger sich mit seinem unkontrollierten Flügelschlag selbst gegen die Seitenwand der Kirche geschmettert hatte. Er hing mehr, als dass er stand, seine Hände umklammerten die blutige Feder in seinem Gesicht.
Sein verbliebenes Auge richtete sich auf mich und der Hass, der darin loderte, traf mich wie ein elektrischer Schlag. Stöhnend und kreischend stemmte der schwer verwundete Lichtträger sich auf die Beine und machte einen schwankenden Schritt auf mich zu. Hektisch sah ich mich nach allen Seiten um. Es gab nichts mehr, womit ich ihn bekämpfen konnte, außer meinen bloßen Händen.
„Du bist tot“, kreischte der Lichtträger. Blitze zuckten um seine geballten Finger. Er hob die Faust, um sie nach mir zu schleudern.
Holz explodierte zu meiner linken. Ein roter Schatten brach durch die Kirchenwand, schoss an mir vorbei und sprang den Lichtträger mit gewaltiger Wucht an. Gemeinsam prallten sie gegen die gegenüberliegende Wand.
Das Biest hatte seine Zähne in die Kehle und seine Klauen in die Brust des Lichtträgers gegraben. Schwarzes, öliges Blut tropfte von seinen Flanken und sammelte sich in Pfützen auf dem Boden.
Der Lichtträger bäumte sich auf, schlug mit seinem Flügel
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