Caras Gabe
meinen Augen. Ich taumelte und fasste mir an den Kopf. Ich war blind.
Für die Dauer mehrerer Herzschläge verlor ich komplett die Orientierung, bis eine Hand mich grob am Oberarm packte und herumriss. Ich schrie und schlug um mich. Mein Arm wurde mir auf den Rücken gebogen. Schmerz schoss durch meine Schulter. Ich fiel und dann wurde ich am Kragen durch den Schnee geschleift.
Wie wild blinzelte ich und japste nach Luft. Langsam klärte sich meine Sicht wieder. Ich trat um mich.
„Hör auf dich zu wehren“, keifte Walum. „Er kann nur in der Kirche sterben.“
Es dauerte einen Moment, bis die Worte zu mir durchdrangen. „W-Was?“
Walum nutzte meine Verblüffung und packte erneut meinen Oberarm. Schnaufend und humpelnd zerrte er mich mit sich. Hinter mir ertönte ein schmerzerfülltes Jaulen, das mir durch Mark und Bein ging.
„Nein“, stieß ich aus, „Arun!“
Walum griff meinen Arm fester. „Dein Dämon wird die nächsten Augenblicke nicht überleben. Sieh nur.“
Schwerfällig hob ich den Kopf. Zwischen den schneeschweren Wolken hinter der Kirche stachen die ersten Sonnenstrahlen hindurch. Ich stöhnte. „Nein.“
Ein Kreischen, als ob tausend Nägel über Glas und Metall schleiften, ertönte hinter uns. Walum hielt jäh inne und fuhr herum.
„Lauf in die Kirche“, raunte er mir zu. „Ich halte ihn auf.“ Damit stieß er mich vorwärts.
Ich taumelte ein paar Schritte und drehte mich um. Walum hatte auf dem Pfad zur Kirche Aufstellung bezogen, als gelte es, mich gegen alle Angreifer der Nacht zu verteidigen.
Ich begriff gar nichts mehr. Doch dann sah ich ihn.
Der Lichtträger stürmte auf uns zu, als spüre er seine grausigen Wunden nicht im Geringsten. Sein einst makelloses Gewand hing in Fetzen, tiefe Kratzspuren prangten auf seinen Armen und auf seiner Brust, doch sein Zorn verlieh ihm unvorstellbare Kräfte.
Ich starrte auf den Rücken des fetten Priesters, der sich dieser entfesselten Gewalt entgegenstellte. Und dann drehte ich mich um und rannte, so schnell ich konnte. Ich spürte die Elektrizität, bevor der Schlag kam. Ein gewaltiges Krachen zerriss die Welt. Das wütende Kreischen des Lichtträgers wurde von Walums Schmerzensschreien übertönt. Dann war alles still.
Ohne mich umzudrehen, hastete ich die Stufen zur Kirche hinauf, stolperte durch die Tür und warf sie hinter mir zu.
Schwer atmend schleppte ich mich bis in die Mitte des Raumes und blickte hektisch umher. Was sollte ich tun? Womit konnte ich kämpfen? Die Schmerzen in meiner Seite waren so stark, dass ich kaum atmen konnte, doch ich traute mich nicht nachzusehen, wie schlimm der Schaden war.
Leicht gebückt und den rechten Arm angewinkelt, lief ich weiter bis zum Alter, drehte mich um und kam mit dem Blick auf die verrammelte Tür zum Stehen.
Das Stechen in meiner Seite schwoll mit jedem Herzschlag an, meine Augen tränten noch immer von Walums Blendung und mein pfeifender Atem klang überlaut in der stillen Kirche. Blut sickerte an meinem Bein hinab und tropfte auf den schmutzigen Boden vor dem Altar. Ich starrte darauf. Sekunden wurden zu Minuten und dehnten sich aus wie sanfter Gesang, die mich von innen heraus erfüllte und sich über mich und die Kirche legte.
Ich konnte die schweren Schritte des Lichtträgers auf den Kirchenstufen hören und das heisere Schaben seines verbliebenen Flügels auf dem Holz. In diesem winzigen Moment erlebte ich eine Ewigkeit.
Das hektische Stolpern meines Herzens schwoll an und wurde zu einem unwiderstehlichen Rhythmus von Kriegstrommeln, die mich zur Schlacht riefen. Das Rauschen in meinen Ohren wuchs zu kreischenden Rufen aus tausenden Kehlen. Eine Horde Krieger, die sich auf ihren Feind stürzte. Beinahe konnte ich ihre Angst riechen, ihren Schweiß und den unbändigen Zorn in ihren Augen sehen, als sie auf ihre Gegner zustürmten. Doch ein Schrei wuchs aus ihrer Mitte empor und erhob sich über alle anderen. Mein brennender Vater. Die Flammen. Der Schmerz, die Angst und meine Hilflosigkeit. Mein Blut vor dem Altar.
Mit harschem Bersten und einem Schauer aus zersplittertem Holz brach der Lichtträger durch die Kirchentür. Seine Spiegelaugen hefteten sich auf mich. Er stürmte durch die Holzreihen auf mich zu, seine überirdischen Züge von Wut verzerrt.
Ruhig schaute ich ihm entgegen. Was konnte ich schon tun? Ich war niemand. Ich war schwach. Doch immerhin hatte ich einen Dämon auf die Priester gehetzt und den Lichtträger verwundet. Ein schwaches Lächeln zupfte
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