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Caras Gabe

Caras Gabe

Titel: Caras Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Trélov
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aus. Ich wollte ihm ein Grab aus Schnee schaufeln, doch ich hatte keine Zeit.
    „Es tut mir leid“, flüsterte ich und senkte meine Stirn auf seine Brust. „Danke.“
    Mit Tränen in den Augen erhob ich mich. Die Sonne hatte sich endgültig über die Wolken erhoben und übergoss das Dorf mit einem prachtvollen, goldenen Schein, der nicht zu diesem blutigen Morgen passen wollte. Ich wandte mich ab und verließ das Dorf so schnell mich meine Beine trugen.
    Wie besessen kämpfte ich mich durch den Wald und folgte der Spur, die er im Schnee hinterlassen hatte. Teilweise reichte mir der Schnee bis zu den Waden und ich musste immer wieder anhalten, um Atem zu schöpfen. Irgendwann lehnte ich mich an eine Tanne und sah nach meinen eigenen Verletzungen.
    Die rechte Seite meines Oberkörpers war geschwollen und verfärbte sich bereits blau und lila. Darüber klafften blutige Schnitte, die meine Rippen und die Hüfte bedeckten. Ich würde sie säubern und verbinden müssen, doch ich wusste weder wie noch womit. An die möglichen Verletzungen, die ich nicht sehen konnte, wollte ich gar nicht erst denken. Gebrochene Rippen waren das Letzte, das ich gebrauchen konnte, und ich betete zu den Göttern, dass das Stechen beim Atmen nicht daher rührte.
    Aruns Verletzungen waren allerdings weitaus schlimmer gewesen. Es war nicht schwer, den Spuren zu folgen, die er im Schnee hinterließ. Scheinbar hielt er sich mit letzter Kraft auf den Beinen und knickte immer wieder ein. Es beunruhigte mich, dass ich ihn noch immer nicht eingeholt hatte. Warum hatte er sich auch nur so tief in den Wald geschleppt?
    Die Sonne erhob sich über die Bäume. Schmelzender Schnee tropfte auf mich hinab, kullerte in meinen Nacken und bildete kleine Eiszapfen an den Tannenzweigen. Ich betete um dunkle Wolken und frischen Schnee. Mir war schwindelig und ich hatte solchen Durst, dass ich mir Schnee in den Mund schaufelte. Nach einer Weile klemmte ich mir Hände voll Schnee unter den rechten Arm. Zuerst brannte es, doch dann schwand der beißende Schmerz langsam zu einem dumpfen Pochen.
    Als ich Arun endlich fand, war ich selbst dem Zusammenbruch nahe. Er hatte sich unter zwei Tannen zurückgezogen, die von einem Sturm gefällt worden waren und übereinander lagen. Sie bildeten ein schützendes Dach vor Tauwasser und Sonnenlicht.
    Er kauerte in der hintersten Ecke, hatte die Knie an den Leib gezogen und die Arme schützend um Kopf und Beine geschlungen.
    Ich ließ mich auf Hände und Knie sinken, biss die Zähne gegen den Schmerz aufeinander, und kroch unter die Zweige. Sie hingen so tief, dass man kaum aufrecht sitzen konnte, und kratzen über meinen Rücken, als ich mir langsam einen Weg zu Arun bahnte. Es war, als müsse ich die Dunkelheit mit den Fingern beiseite streichen, bevor ich ihn erreichen konnte.
    „Arun?“ Zaghaft berührte ich ihn an der Schulter.
    Er stöhnte leise, dann fiel er zur Seite. Fluchend versuchte ich ihn in eine bequeme Position zu rücken. Mit der linken Hand wickelte ich meinen Wollschal vom Hals und legte ihn unter Aruns Kopf.
    Sein Atem ging flach und stoßweise und mit jedem Zug dehnten sich die schwarzen Flecken auf seinem zerrissenen Hemd aus. Ich packte das Hemd und riss es auf. „Ihr Götter!“
    „Muss nur … den Tag überleben“, flüsterte er. „Nacht … heilt.“ Und dann verlor er das Bewusstsein.
    Wie er es schaffen sollte, die nächste Stunde zu überstehen, war mir anhand solcher Verletzungen unvorstellbar.
    Ich verfluchte meine Dummheit. Ich hätte Nahrung, Verbandszeug oder wenigstens einen Topf von zuhause stehlen sollen, dann hätte ich Arun einen Tee gegen das Fieber brauen oder mir etwas zu Essen kochen können. Wann hatte ich das letzte Mal eine anständige Mahlzeit zu mir genommen? Es wollte mir nicht einfallen.
    Mit Hilfe des Feuersteins, den ich immer bei mir trug, und einem Haufen trockener Tannennadeln und kleiner Äste gelang es mir wenigstens, ein Feuer am Rande der umgestürzten Bäume zu entfachen.
    Ich tauchte einen Fetzen meines Kleides in den Schnee und begann Aruns Wunden damit auszuwaschen, so gut es ging. Immer wieder musste ich Glassplitter aus seinem Fleisch ziehen. Glücklicherweise waren sie zwischen dem ölig schwarzen Blut gut zu sehen. Ich schüttelte den Kopf und kämpfte die Tränen zurück. Nichts an dieser Situation war auch nur annähernd glücklich.
    Meinen Unterrock zerriss ich in Streifen, die ich dann behelfsmäßig um Aruns Oberkörper und Arme wickelte. Dabei

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