Caras Gabe
Scherben in einen Tiegel schütteten und sie ineinander schmolzen, dann wurde ich wieder aus dem Haus geschickt. Ich kam mir ernstlich vor wie ein lästiges Kind, das man zum Spielen vor die Tür gesetzt hatte.
Arun schmähte das Sonnenlicht ebenso wie die Apfelblüten und hatte sich hinter die Schlafvorhänge zurückgezogen. Außerdem hatte Sowanje gesagt, sie würden später noch die Hilfe des Dämons benötigen, weswegen es besser wäre, wenn er im Haus blieb.
Ein wenig missmutig und vollkommen ziellos streifte ich durch den Wald um Sowanjes Hütte und brütete über dem Ausbruch der alten Frau. Ihr Gerede von früheren Leben hatte mich zuerst verunsichert, doch nun war ich wütend. Was fiel der Alten ein mich anzukeifen? Ich hatte weder Erinnerungen an ein vorheriges Dasein, noch glaubte ich an solches Zeug, egal was Sowanje in mir sehen mochte. Ich trat nach einem morschen Ast und er segelt in hohem Bogen ins Unterholz. Alles, was ich wollte, war gegen die Lichtträger zu kämpfen. Sowanje und ihr prophetisches Gerede konnte mir gestohlen bleiben.
Ich glaubte nicht im Geringsten daran, dass mein Leben vorbestimmt war. Mein Schicksal lag in meiner Hand. Nur schade, dass Arun diese Ansicht nicht teilte. Schon oft hatte er Bemerkungen gemacht, die eine beinahe traurige Resignation an ihm bemerken ließen. Eine Seite, die sonst gar nicht zu ihm passte, denn er war ein Kämpfer wie ich. Zu gerne hätte ich in diesem Moment mit ihm darüber gesprochen, doch er schlief fest und würde vermutlich erst zum Abend wieder erwachen.
Mit nichts als meiner miesen Laune zur Gesellschaft stapfte ich weiter durch den Wald. Ich vermisste den Schnee. Ein Wald im Winter ohne Schnee sah trostlos aus. Am Himmel waren mittlerweile bleischwere Wolken aufgezogen, ein frischer Wind wehte durch die Zweige und trieb welke Blätter vor sich her. Ich schlang den Umhang meines Vaters enger um meine Schultern. Die kahlen Äste der Bäume bibberten ebenso wie ich. Ohne ihr Blätterkleid waren sie der Kälte schutzlos ausgeliefert.
„Cara?“
Ich trug ein Lächeln auf den Lippen, noch bevor ich mich umdrehte, so schön klang ihre Stimme.
Ghalla trat hinter einem Baumstamm hervor, eine märchenhafte Gestalt inmitten dieses tropfenden Waldes. Sie machte einen zaghaften Schritt auf mich zu, faltete die Hände vor ihrem Gewand und neigte den Kopf. Die Schwanenfedern in ihrem grauen Haar wippten im Wind mit, als suchten sie noch immer die Freiheit im Flug.
„Verzeih, wenn ich dich störe“, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
Aus der Nähe und hier im grauen Licht des Tages sah ich, dass ihre Haut glatt war und nur von einem feinen Spinnennetz an Fältchen durchzogen. Ich war vollkommen gefangen von ihrer Art sich zu bewegen, bescheiden und so elegant wie eine Tänzerin. Auf den ersten Blick mochte sie schüchtern wirken wie ein scheues Reh, doch sie hielt sich gerade und sah mir direkt in die Augen, so dass ich es war, die nach kurzer Zeit den Blick auf die Blätter senkte.
Ich schluckte und betrachtete meine Schuhspitzen. „Ihr … Ihr stört mich nicht, Ehrwürdige“, stammelte ich. Neben Ghalla wirkte Sowanje wie ein grantiges, ungehobeltes Kräuterweib und ich kam mir vor wie ein unbeholfenes Kind. Die Blätter raschelten, als Ghalla einige Schritte auf mich zuglitt.
„Ich möchte mich für Sowanjes Verhalten entschuldigen“, sang sie sanft.
Erstaunt schaute ich auf. „Das müsst Ihr nicht.“
Ghallas Lächeln trug einen Hauch Traurigkeit in sich. „Es ist sehr freundlich von dir, das zu sagen. Dennoch.“
Sie hob eine Hand an ihr eisgraues Haar und als sie sie zurückzog, lag eine glänzende Schwanenfeder auf ihren Fingern. „Sie besitzt große Heilkraft“, erklärte sie leise. „Ich möchte sie dir schenken.“ Mit beiden Armen hielt sie die Feder vor sich und senkte den Kopf.
Ich konnte nur glotzen.
Ghalla schaute verwundert auf, doch als sie meinen verdutzten Gesichtsausdruck sah, blitzte es amüsiert in ihren Augen. „Nimm sie an“, sagte sie mit einem Lächeln in der Stimme, „sonst würdest du mich beleidigen.“
„Oh, Entschuldigung.“ Hastig trat ich vor und nahm ihr die Schwanenfeder mit zitternden Fingern ab. Sie fühlte sich kühl an und hart und glatt wie ein Flusskiesel.
Ghalla nickte mir zu. „Hab ein wenig Geduld mit Sowanje. Sie hat ein gutes Herz, doch sie musste so viel Schlimmes sehen, dass sie eine harte Schale darum trägt.“
Ich betrachtete die Feder in meinen Händen.
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