Caras Schatten
erbärmlich das Ganze klang –, aber Zoe anzulügen, machte keinen Sinn. Sie nickte.
Zoe streckte die Beine aus und stützte sich auf ihre Hände. »Okay, jetzt mal ehrlich. Bist du schon mal mit einem Jungen weg gewesen? Zumindest in einer Gruppe?«
Cara schüttelte den Kopf. »Nein. Noch nie. Seit ich auf der Highschool bin, war ich noch so gut wie auf keiner Party.« Sie seufzte und hockte sich vor Zoe auf die Knie. »Ich weiß selbst, wie erbärmlich das klingt.«
Zoe lächelte. »Und wenn schon. Mir gegenüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen, wie erbärmlich irgendetwas klingt. Aber warte, ich bin noch nicht fertig.«
Cara wünschte sich, ihre Freundin würde mit dieser speziellen Art der Befragung aufhören, doch Zoe hielt sie mit ihrem violetten Blick gebannt.
Sie beugte sich vor. »Hast du schon mal einen Jungen geküsst?« Ihre Stimme klang leise und verschwörerisch. Ihr Atem roch ein wenig schal.
Cara schüttelte den Kopf. »Nein. Siehst du jetzt, was für ein hoffnungsloser Fall ich bin? Ich habe mit meinen siebzehn Jahren noch keinen Jungen geküsst!«
»Und woher willst du dann wissen, was zu tun ist, wenn es mal dazu kommt?« Zoe zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Keine Ahnung. Ich leih mir ein Buch aus?« Cara kicherte nervös.
Zoe rutschte ein wenig näher heran. Sie hatte sich seit ein paar Tagen die Beine nicht rasiert, und ihre blassen Oberschenkel waren übersät mit dunklen Stoppeln. »Du solltest vielleicht mal ein bisschen üben«, sagte sie.
Cara lachte laut auf. »Klar. Vielleicht mit einem Kissen? Oder mit Samson?«
»Nein, Dumpfbacke.« Zoe schlug ihr scherzhaft gegen die Schulter. »Mit mir.« Sie beugte sich vor und legte ihre Hände auf Caras jeansblaue Knie.
»Was?« Cara hatte das Gefühl, sich verhört zu haben.
»Ich werde mit dir üben, wie man richtig küsst. Und wenn sich die Gelegenheit ergibt, bist du bestens vorbereitet.« Sie starrte Cara direkt in die Augen.
Cara rutschte ein wenig auf der grauen Decke hin und her. Sie spürte, wie sich die kratzige Wolle durch ihre Jeans bohrte. Was Zoe da sagte, ergab durchaus Sinn. Cara konnte nicht abstreiten, dass sie sich bereits unzählige Male entsetzt ausgemalt hatte, wie sie sich völlig zum Narren machte, wenn – falls – sie irgendwann mal ein Typ küssen sollte, so gering die Chancen auch standen. »Ähm, okay«, sagte sie zögerlich.
Zoe grinste und setzte sich im Schneidersitz vor Cara. Ihre Knie berührten sich fast. »Gut«, sagte Zoe. »Als Erstes musst du die Augen schließen.«
»Okay.« Cara schloss die Augen. »So viel wusste ich auch schon.« Sie starrte in die Dunkelheit ihrer Augenlider. Vor ihr raschelte es ein wenig.
»Dann öffnest du ganz leicht die Lippen. Aber nicht anspannen, sie müssen ganz weich sein.«
Cara folgte Zoes Anweisungen. Sie kam sich irgendwie albern vor, hier mit geschlossenen Augen in der Scheune zu sitzen, zusammen mit ihrer besten Freundin. Aber sie hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn im nächsten Moment spürte sie Zoes weiche Hände auf ihren Schultern, während sie sich zu ihr vorbeugte. Ohne darüber nachzudenken, öffnete Cara die Augen. Sie nahm nur einen verschwommenen Schatten war, so nah war ihr Zoe gekommen.
»Nicht aufmachen!«, fuhr Zoe sie an. Gehorsam kniff Cara die Augen wieder zu.
»Dann drückst du die Lippen ganz sanft auf seine. So …« Cara spürte, wie Zoe ihre Wange streifte, dann fühlte sie Zoes Lippen auf ihrem Mund. Nach etwa einer Sekunde versuchte Cara zurückzuweichen, doch Zoes Fingernägel krallten sich in ihre Schultern. Der Druck ihrer Lippen ließ nicht nach. Caras Augen flogen auf, und sie fuhr erschrocken zusammen. Zoes mascaraverschmierte Augen starrten ihr geradewegs ins Gesicht.
Cara wich ruckartig vor ihr zurück. »Du hast doch gesagt, Augen zumachen.«
Zoe lächelte, anscheinend völlig unbeeindruckt. »Ich habe gesagt, du sollst die Augen zumachen. Von mir war nie die Rede. Ich bin schließlich der Junge, und der hat die Augen normalerweise offen. Jungs sind ein bisschen komisch in dieser Beziehung.«
Cara sagte nichts.
»Willst du’s noch mal versuchen?«, fragte Zoe. Ohne eine Antwort abzuwarten, beugte sie sich vor und drückte ihre Lippen auf Caras. Für einen Moment verspürte Cara einen Anflug von Klaustrophobie, so als würden sich die Wände der Scheune plötzlich zusammenziehen. Zoes Nähe schien die Welt um sie herum förmlich zu verschlingen. Cara versuchte vor ihr
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