Caras Schatten
Sandwich und strich sich ihr neu gestyltes Haar hinter die Ohren. Ihr Rachen war plötzlich wie verklebt von all der Erdnussbutter. Sie nahm einen ausgiebigen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Vielleicht sollte sie Zoe doch lieber nichts davon erzählen. Zoe wurde immer eifersüchtig, wenn sie das Gefühl hatte, durch irgendwen ersetzt zu werden. Cara schluckte und schluckte, aber sie wurde die Erdnussbutterschicht einfach nicht los. Sie bekam schon wieder keine Luft.
Einen Moment lang stieg Panik in ihr auf, aber sie kämpfte dagegen an und zwang sich, das restliche Wasser zu trinken. Endlich gelang es ihr, die Erdnussbutter herunterzuspülen.
Nein, beschloss sie. Es war besser, Zoe nichts davon zu erzählen. Sie würde es nicht verstehen.
Kapitel 10
Z oe? « , rief Cara, als sie nach der Schule die Tür zu ihrem Zimmer aufstieß. Sie war ein wenig außer Atem, weil sie nach dem Gong so schnell es ging nach Hause gesprintet war. Sie konnte es gar nicht erwarten, Zoe von ihrer Begegnung mit Ethan im Trainingsraum zu erzählen. »Zo?« Die zugezogenen Vorhänge hatten den trüben Nachmittag ausgesperrt und tauchten den Raum in ein schattiges Halbdunkel. Cara schloss leise die Tür.
Das Zimmer war leer, das Bett und die Kissen zerwühlt. Am Boden vor dem Nachttisch lag ein Stapel Zeitschriften und daneben ein leerer Teller. Caras Herz schlug ein wenig schneller. »Zoe?« Sie sah sich um. Im Bruchteil einer Sekunde wusste sie, dass es vorbei war, sie wusste es ganz einfach. Zoe war verschwunden, wohin auch immer, und hatte Cara mit ihrem Leben alleingelassen. Caras Atem drang pfeifend durch ihre Nasenlöcher.
Dann hörte sie ein metallisches Klappern im Badezimmer und stürzte zur Tür. Zoe stand am Waschbecken und trug sorgfältig Wimperntusche auf. Caras übriges Make-up, das größtenteils uralt war, lag vor ihr auf dem Waschtisch. Zoe blickte sich um. »Oh, hi«, sagte sie, ohne zu lächeln.
Cara ließ sich erleichtert gegen den Türrahmen sinken, dann trat sie ins Badezimmer, um sich auf den geschlossenen Klodeckel zu setzen. »Gott, du hast mich echt zu Tode erschreckt! Ich dachte, du wärst weg.«
Zoe zog ihre Lippen mit einem korallenfarbenen Lippenstift nach. »Nö«, erwiderte sie und ließ den Stift zuschnappen. »Bin immer noch hier.« Sie spie ihr die Worte entgegen, als würde sie Orangenkerne ausspucken.
»Mach das ja nicht noch mal«, sagte Cara. Sie atmete tief ein, und ihr Herzschlag beruhigte sich. »Wie auch immer … Du wirst nicht glauben, was mir heute Morgen passiert ist. Ich bin doch früher los, um mich ein bisschen zu dehnen, weißt du noch? Und der Fitnessraum war echt die reinste Sauna, also …«
Zoe steckte den Lippenstift zurück in Caras geblümte Kosmetiktasche und wirbelte herum. Ihre Augen wirkten geradezu spinnenhaft vor lauter Mascara. Ihre korallenroten Lippen glänzten klebrig. »Ja, ganz toll, Cara. Schön zu hören, dass es in der Schule endlich besser läuft, aber, weißt du was, du solltest echt mal für einen winzigen Augenblick an was anderes denken als an dich selbst, okay?« Sie schob sich an Cara vorbei ins Schlafzimmer.
»Was meinst du damit?« Cara blieb unsicher im Türrahmen stehen. Zoe riss den Kleiderschrank auf und durchsuchte hektisch Caras Sachen.
»Was ich meine ? Seit ich hier angekommen bin, heißt es immer nur Cara dies, Cara das, heul-schluchz, mein Leben ist ja so schrecklich, Zoe, kannst du mir nicht helfen?« Ihre Stimme klang hart. Sie zog ein kurzes rotes Kleid heraus, an dem noch das Preisschild baumelte. »Und ich habe dir geholfen, obwohl du dich total rücksichtslos benommen hast.«
»Zo, es tut mir leid.« Cara streckte die Hand nach ihrer Freundin aus, ihr traten Tränen in die Augen. Gott, wie hatte sie nur so egoistisch sein können? Nach allem, was Zoe mit ihrem Stiefvater durchgemacht hatte, sollte das hier doch wohl der letzte Ort sein, an dem sie sich vernachlässigt fühlte.
Cara versuchte, ihre Freundin zu umarmen, doch sie wich vor ihr zurück. Stattdessen ließ Zoe ihre Jogginghose auf den Boden fallen und zog sich das rote Kleid über den Kopf. Caras Herz verkrampfte sich vor Panik. Es gab nichts Schlimmeres, als wenn Zoe wütend auf sie war. Sie konnte alles ertragen, nur das nicht.
»Du hast recht«, flehte Cara. »Ich war so mit meinen eigenen kleinen Problemen beschäftigt, dass ich dabei gar nicht an dich gedacht habe.« Sie legte ihrer Freundin behutsam eine Hand auf den Rücken. Diesmal wich sie nicht zurück.
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